Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871

Non scholae séd vitae discenduro est. Die höhereMbung unserer Zeit und das Gymnasium. „Es fehlt Viel, daß die Gymnasien noch von dem allgemeinen Vertrauen getragen würden. Man läßt es sich mehr gefallen, daß das nun der einmal gewiesene Weg ist, der die Söhne schließlich zu einer amtlichen Stellung führt, als daß man in seiner Schätzung einig wäre." Mit diesen Worten bezeichnet ein urtheilsfähiger in der preußischen Unterrichtsverwaltung hochgestellter Mann Dr. L. Wiese treffend die in Preußen herrschende Ansicht über die Gymnasien. Die Franzosen sind durch den letzten Krieg inne geworden, daß nicht nur eine Verbreitung der nothdürftigsten Kenntnisse ein dringendes Erforderniß sei, sondern auch eine Umbildung ihres höhern Schulwesens; daß die Kenntniß des Fran­zösischen, Lateinischen und Griechischen, die Fertigkeit lateinische Aufsätze und Verse zu machen nicht diejenige Bildung ausmacht, welche ein Kulturvolk im 19. Jahrhundert auf der Höhe der Zeit hält. Dem unmittelbarsten und nächsten Bedürfnisse entsprossen ist die An­ordnung der französischen Unterrichtsbehörden, daß in den höhern Schulen von neuern Sprachen die deutsche, von Realwissenschaften besonders die Geographie eifriger gepflegt werden sollen. Man braucht aber nicht erst nach Preußen und Frankreich zu gehen um die Mangelhaftigkeit und das Ungenügende der ge­wöhnlichen Gymnasialbildung zu erkennen. — Jeder gereifte Mann, der in einem Gymnasium vorgebildet nun im Leben steht, wirkt und schafft, wird unwillkührlich bei einem Rückblicke auf seine Jugend­bildung zu den Bemerkungen geführt: daß er während seiner Gymnasialunter­richtszeit Vieles gelernt, das ihm jetzt keinen Nutzen bietet, -das ein todtes Wissen, mehr und mehr dem Gedächtnisse entschwindet, daß er aber noch viel Mehreres nicht gelernt, das er nun täglich vermißt, weil er es täglich brauchen könnten Als Staatsbürger vermißt er die eingehende Kenntniß der Vergangenheit seines Volkes und Staates, er weiß nicht, wie die bestehenden Verhältnisse ge­worden, warum sie gerade so und nicht anders geworden sind; auf dem hei- mathlichen Boden ist er ein Fremdling; er kennt seine Pflanzen, seine Thiere l

Next

/
Thumbnails
Contents