Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1871
10 gewinnen und das um so tiefer und inniger, je mehr es durch Geburt und Stand dazu berufen ist, einst als Mann seinem Bolle Leiter und Berather, Lehrer und Richter zu werden. Wie soll ein Richter sein Volk recht richten und seine Handlungen richtig beurtheilen, wie ein Geistlicher seinem Volke das göttliche Wort zum Verständniß und zum Herzen bringen; wie ein Lehrer die Jugend recht lehren; wie ein Staatsmann sein Volk recht lenken und ihm gute Gesetze geben; wie ein Künstler für sein Volk schaffen — wenn sie alle nicht ihres Volkes ureignen Geist kennen, unbewußt und bewußt aus diesem heraus denken und auf ihn Alles beziehen. Was das bedeutet, -wenn allenthalben Gelehrte, die nicht, wissentlich oder unwissentlich, durch ihre Jugendbildung auf dem Volksboden stehen und in ihrem Volksthume wurzeln, die Leiter, Berather und Gesetzgeber sind, zeigt uns sehr treffend die unnatürliche Beeinflussung der Rechtszustände sämmtlicher europäischer Culturstaaten durch das römische Recht. Der Humanismus d. h. das Neurömerthum unterdrückte oder ließ wenigstens verkommen die deutsche Sprache in Deutschland, die in Italien gebildeten Richter verpflanzten römisches Recht auf deutschen Boden, welches das deutsche Landrecht, die alten deutschen Rechtsgrnndsätze überwucherte und erstickte. An die Stelle der deutschen Richter, die keinen ohne Zuziehung seiner Genossen richten konnten, traten die römisch gelehrten Richter; aus dem freien öffentlichen und mündlichen Verfahren wurde das geheime und schriftliche. Advocaten sogen die Leute aus; Advocatenkniffe drechselten das Urtheil und machten oft das summ um jus zur summa injuria. Die römisch gelehrten Richter hatten den Geist der deutschen Verfassung verloren, sie hatten auf einen gesunden Stamm ein unnatürliches Pfropfreis gesezt und diese unnatürliche Verbindung mußte zur Entartung des Volkslebens führen. Wie zerfahren ist die neuere Kunst gegenüber der alten deutschen sogenannten gothischen. Woher diese Zerfahrenheit und Buntscheckigkeit? Weil die Künstler nicht aus dem Gemüthe und der Anschauung ihres Volkes heraus schaffen. Darum finden die Künstler auch oft so wenig Verständniß bei ihrem Volke; darum dringt auch die Kunst so wenig ins Volk und vermag es nicht zu veredeln und zu bilden. Treffend bezeichnet man die kirchlichen der nationalen Entwicklung überall feindlichen Dunkelmänner als Ultramontane. Weil ihre Heimath „jenseits der Berge liegt" haben sie nicht Sinn, nicht Verständniß, nicht Liebe zu dem Volksthume, in dem sie stehen, das sie heben und veredeln sollten. Suchen nicht die Jesuiten vor allem die Jugend in ihren Schulen gerade wie die Humanisten (diese folgend einem verkehrten Bildungsideale, jene bewußt und in unlauterer Absicht) vor allem durch eifriges Betreiben der lateinischen Sprache ihrem Volksthume zu entrücken, das Kind aus dem Boden zu reißen in den Gott es gepflanzt hat und wohin der natürliche Zug des Herzens geht;