Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864
51 Tadel und Streit füllt die Herzen mit Bitterkeit, das Kind des Hauses, gewohnt die Eltern gewähren zu lassen, wird in den Zwist hineingerissen und die Ehegatten wissen selber kaum, wenn es wie gewöhnlich zur Scheidung kommt, warum sie nicht mehr mit einander leben mögen. Könnte man die Ehegatten von den Schwiegereltern trennen, so würde man sie selber in vielen Fällen nicht zu scheiden brauchen. Gut wäre es. wenn die Ehescheidungen, wie sie vernünftigerweise den Gründen nach nicht allzu schwer gemacht sind, auch in kürzerer Zeit vollzogen würden. Durch die lange Dauer der Eheprocesse wird die Versöhnung, die man erreichen möchte doch nicht erreicht, und ein Stück Sittlichkeit geht dabei sicher verloren. Für das erste spricht das Protokoll des Ehegerichts, betreffs des zweiten will ich nur eines Umstandes erwähnen. Nicht selten besuchen junge im Eheproceß lebende Frauen — besonders auf den Dörfern — die Gesellschaften und Tänze der Unverheiratheten. und schon um sich die Unterhaltung, nicht noch die Treue eines Liebhabers bis nach erfolgter Scheidung zu sichern, sind sie in Reden und Thun, mehr als es gut ist. gefällig. So verliert das nachwachsende Geschlecht durch Hören und Sehen, Scham und Keuschheit, während die rasch getrennten Eheleute in, gewohnterweise bald geschloffenen neuen Verbindungen die Schäden der alten heilen könnten. Was die Ehescheidungen selbst betrifft, so sind sie wohl in letzter Zeit an Zahl gestiegen. Da aber die Zahl der Eheprozeffe gleich geblieben ist, so wäre nach meiner Ansicht die Ursache weniger in einer Verschlechterung der Eheverhältniffe, als in der Umänderung der Ueberzeugung und Ansichten der Ehegerichte zu suchen. Es schwebten nämlich Eheprozesse 1854. 1855, 1856, 1857, 1859, 1860. 1661, 1862 32. 40, 40, 34. 28, 30, 34, 35 und geschieden wurden 1854, 1855, 1856, 1857, 1858, 1859, 1860, 1861, 1862 14, 10. 15, 12. 10. 12, 19, 11, 19. Was die Gründe für die Scheidung anlangt, so ist unter den 121 erfolgten Scheidungen: unbesiegbare Abneigung . 29 Ehebruch . . . . . 27 Trunksucht.................................. . 19 Mißhandlung ..... . 17 Heirathszwang.................................. . 13 Verweigerung der ehelichen Pflicht . 7 4*