Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864
45 Ich mußte die Untersuchung und Schilderung der wirthschaftlichen Ver. hältnisse des Gaues, der über Bildung und Sitte voranschicken; weil ja der Besitz seine Größe und Vertheilung es sind, aus welchen als den nährenden Wurzeln die edleren Triebe und Zweige des Lebens sich erheben. In einem Lande jedoch wie Siebenbürgen, wo verschiedene Etämme, verschiedene religiöse Anschau, ungen, verschiedene Stellung der Gesellschaftskreise—die Sachsen sind nur Bürger, die andern Stämme beinahe nur Adel und bis zum Anfänge der betrachteten Zeit Leibeigene — und ganz verschiedene Bildungsstufen sich umschließen; durchkreuzen sich so viele Kräfte auch auf dem Gebiete des Geistes und der Sitte, daß es schwer ist überall die eigentlich bewegenden zu erkennen. Auch auf den eigenthümlichstcn, stärksten Geist wirkt die Zeit und die Masse der fremden Anschauungen umformeud. Die bisher gemachten verdiestvollen Studien über die geistige Kultur der Sachsen können daher nicht erschöpfend sein, weil sie wenig auf das von der Umgebung empfangene Rücksicht nehmen. Auch ich mache auf Vollständigkeit in dieser Beziehung keinen Anspruch, da ich die umgebenden Verhältnisse noch zu wenig kenne. _ Zunächst bilden für das Wissen und die Bildung eines Volkes die Grundlage die Volksschulen. Vor 1848 stand das Schulwesen des Nösner Gaus, wenn auch viel höher, als das der Umgebung doch auf keiner großem Anerkennung verdienenden Stufe. Der Schulrektor war mehr Diener seiner Wohlehrwürden des Herrn Pfarrers als Lehrer, und da er jedes Jahr aufs neue Aussicht hatte fortgejagt zu werden, wenn er nicht der löblichen Altschaft zu Gefallen gethan. so mußte er viele Plackereien dulden und war zu Partheilichkeit und verderblicher Nachsicht bei einzelnen Schülern gezwungen. Die Hauptaufgabe bestand im Lesenlernen des Katechismus und Gesangbuches, ein Lesen in dem bekannten singenden Tone, der entweder einschläfert oder zur Verzweiflung bringt. Nur die beßeren Köpfe lernten Rechnen und nothdürftig schreiben. Noch trauriger sah es mit den Frauen aus. Aber der Sturm, der 1848 die Gesellschaft aufrüttelte, hat auch im Nösner Gau den reichen Boden rein gefegt, und besonders seit durch die neue Kirchenverfassung eine zusammengefabtere Leitung der kirchlichen und der damit verbundenen Schulverhältnisse möglich und eine bessere Leitung durch die erhöhtere Oeffentlichkeit geboten ist, kann man den Zustand der Volksschulen einen in genügendem Fortschritt begriffenen nennen. Dadurch daß die Lehrer ohne gerichtlich begründete Ursache für unabsetzbar erklärt wurden traten sie in eine sichere, unabhängigere Stellung, daß sie aber dieser Stellung auch entsprechen können, wurde das Lehrerseminar in Bistritz den Forderungen der neuen Zeit entsprechend organisirt. und nur dem mit gutem Erfolge Absolvirten die Altstellungsfähigkeit zugesprochen. Die Lehrgegenstände des Seminars 4nb außer Religion: Naturwissenschaften. Feld-und Gartenbau, Musik und Turnen,