Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1863
12 nicht, sondern ihre allgemeine Geltung beruhte allein auf dem moralischen Gewichte der zünftigen Korporation, welche diese Gesetze nicht nur gab, sondern auch gestützt auf die zähe Kraft des Zunftgeistes oft ohne Beihilfe des weltlichen Armes durchsührte. Schon dieser eine Umstand beweist zur Genüge, bis zu welchem bedeutenden, ja gewaltigen Faktor des bürgerlichen Lebens damals das Gewerbe, und im Gewerbe die Zunft sich emporgearbeitet hatte*). Indem wir nun zur Darstellung des Zunft- und Gewerbewesens, in der Mitte des 15. Jahrhunderts und weiter, übergehen, fällt uns zunächst die Erscheinung auf, daß auch in dieser Periode die Scheidung ähnlicher Gewerbe noch nicht vollständig sich vollzogen hatte und daher manche derselben über die Grenzen der Be- fugniß, ihr Handwerk ausdehnen zu dürfen, in fortwährendem Streite lagen. Hievon gibt uns ein Beispiel das Schuster- und Lederergewerbe in Nősen sowie im ganzen Sachsenlande. Ursprünglich nämlich hatten die Schuster Rohhäute für den Bedarf ihres Handwerks sich selber ausgearbcitet und etwaigen Ueberschuß, den sie zu Schuhen nicht verarbeiten konnten, als Leder verkauft. Im Verlaufe der Zeit, als die Mitglieder sowohl dieses, als auch des Ledererhaudwcrkes sich mehrten, mußte bei diesen letzteren natürlicherweise das Streben entstehen, die ihnen schädliche Konkurrenz einzuschränken. So entstanden zwischen beiden Theilen Streitigkeiten, die bereits von Ladislaus V. im Jahr 1455 zu Gunsten der Lederer in folgender Weise entschieden wurden: 1. Die Schuster dürfen bei der Ausarbeitung von Rohhäuten nur ihre Lehrjnngen, Frauen ober Töchter, durchaus aber keine Gesellen verwenden. 2. Kein Schuster darf in Gemeinschaft mit einem Mitmeister Rohhäute ausarbeiten, sondern nur in eigener Werkstatt so viel als er zu Schuhen verarbeiten kann. Lederverkauf ist ihnen durchaus verboten. *) Unter den oben angeführten Zunftgesehen sind z. B. Nr. 3, 4, 7, 10 und'11 von keiner Behörde bestätigt, und insbesondere geben die Artikel der Bistrißer Kürschner in ihren Nachtragsbestimmungen den Beweis, daß die Zünfte selbstständige Geseht-cb iig auSübten.