Urbs - Magyar várostörténeti évkönyv 1. (Budapest, 2006)
Resümee
Bürger, deren Kreis ebenso klar definiert wurde wie die Grenzen der Stadt. Die zwei Begriffe sind eng miteinander verbunden, mit einem wichtigen Unterschied: Während die Ausdehnung der Grundstücke sich nur langsam änderte, war der Kreis der Bürger großen Schwankungen ausgesetzt. Eine der wichtigsten Merkmale der „freien" mittelalterlichen Städte, sowohl in Ungarn als auch in den stärker urbanisierten Ländern Europas, war die Freiheit, die Bedingungen der Aufnahme in die Gemeinschaft der Bürger nach ihren Belieben und Bedürfnissen zu definieren. Mein Beitrag beschäftigt sich mit den Grundlagen des Prozesses der Bürgeraufnahme und mit der Frage, wie dieser Vorgang in der westungarischen Stadt Sopron / Ödenburg im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert verlief. Die schriftliche Administration bezüglich der Neubürger entwickelte sich sehr langsam, und die Mündlichkeit spielte dabei bis zur frühen Neuzeit eine wichtige Rolle. Obwohl das Quellenmaterial bis 1535 fragmentarisch und lückenhaft ist (neben den sehr vennischten Eintragungen des sog. „Burgerbuechl und Ächtbüchl" verfügen wir nur über gelegentliche Erwähnungen von Neubürgern in anderen Stadtbüchern sowie über welche Geburtszeugnisse), kann man doch bestätigen, dass der Stadtrat - wie auch in anderen Städten Europas - die Aufnahmebedingungen mit einer gewissen Flexibilität behandelte. Neben den materiellen Bedingungen (Hausbesitz, Aufnahmegebühr, später Geburtszeugnis und Freilassungsbrief von den vorigen Grundherren) spielte die Eidesleistung, deren Text sowohl für die Bürger als auch für die Mitwohner erhalten geblieben ist, eine wichtige Rolle. Um die gewünschte Zusammensetzung der Bürgerschaft zu erreichen, änderten die Behörden die Aufforderungen sogar auf individueller Ebene. Aus jenen Fällen, in denen man die späteren Karrieren der neuen Bürger verfolgen kann, sieht man, dass die Personen, die eine höhere Aufnahmegebühr zahlten, besser und dauerhafter in die städtische Gesellschaft integriert wurden. Die sporadischen Erwähnungen gestatten keine vollständige Analyse der Berufe und Herkunft der neu aufgenommenen Bürger, wir können aber feststellen, dass eine grosse Anzahl davon Handwerker waren, und dass die eigenen Dörfer der Stadt das wichtigste Rekrutierungsgebiet darstellten. Im letzten Teil des Aufsatzes stelle ich einige eher allgemeine und über das bearbeitete Material hinausreichende Fragen. Erstens: War es für die Bevölkerung in Ödenburg und anderen ungarischen Städten attraktiv Bürger zu werden und damit dauerhafte Pflichten auf sich zu nehmen, oder war es eher eine Belastung die sie vermeiden wollten? Zweitens: Wie beeinflussten die wechselnden Aufnahmebedingungen die Zusammensetzung der Bürgerschaft und wie war die Stellung jener, die über kein vollständiges Bürgerrecht verfügten, obwohl sie Immobilien in der Stadt besassen, d. h. der Frauen, der Kleriker und der Juden? Drittens: Kann man eine zeitliche Verschiebung und andere Unterschiede bei der Regulierung und Verwaltung des Bürgerrechtserwerbes zwischen den ungarischen und anderen europäischen Städten beobachten? Viertens: In den letzten Jahrzehnten definiert die Stadtgeschichtsforschung Städte eher auf einer funktionellen als auf einer rechtlichen Ebene. Kann dies Konsequenzen für den Bürgerbegriff haben? Gab es „Bürger im funktionellen Sinne"?