Urbs - Magyar várostörténeti évkönyv 1. (Budapest, 2006)

Resümee

Werbőczy verwendet für die Bezeichnung der Stadt konsequent den Begriff civi­tas. Dabei spricht er von einer allgemeinen umgangssprachlichen und von einer präzi­seren Bedeutung. 1. ) Die civitas wird im allgemeinen als civium unitas bezeichnet; hier lassen sich die römischrechtlichen Kenntnisse des Autors feststellen. Die civitas in dieser Bedeu­tung entspricht der Kommune, der politischen Gemeinschaft und der bürgerlichen Mental ität. Es war dafür mehr notwendig als eine vergrößerte Zahl der Stadtbewohner. 2. ) Werbőczy, der Jurist, gab aber auch eine genauere Bedeutung der civitas an: Es sei eine Siedlungseinheit von Häusern und Straßen, die zur Verteidigung mit Mau­ern versehen sei. 3. ) Und mit der Verbindung der zwei Bedeutungen kommt Werbőczy zu der Schlussfolgcrung, dass sich die Städte nach ihrer Rechtsstellung voneinander unter­scheiden. Werbőczy, der in der königlichen Gerichtsbarkeit tätig war, schilderte den Unter­schied zwischen den Städten aus prozessrechtlicher Sicht. Die Freiheit der Städte in­terpretierte er nach dem Appcllationsorgan; es gab demnach zwei Städtegruppen, einerseits die alten königlichen Städte, von denen aus die Bürger unmittelbar an das königliche Gericht appellieren konnten, andererseits gab es bei den königlichen Freistädten eine Zwischeninstanz, das Gericht des Tarnakmeisters. Die städtische Freiheit beruhte daher auf der Selbstbestimmung der eigenen Angelegenheiten. Die Blütezeit der Stadtentwicklung endete im 16. Jahrhundert, insbesondere nachdem Ofen 1541 vom osmanischen Heer erobert worden war. Der größere Teil der Bevölkerung flüchtete in die königlichen Städte des habsburgischen Teils von Ungarn, wo ihre Integration wegen der gleichen Rechtsstruktur leicht fiel. Buda blieb jedoch während der osmanischen Herrschaft ein Verwaltungszentrum, wenn es auch an der Peripherie des Reiches lag. Das Stadtbild erlitt aber eine erhebliche Einschränkung, da mehrere Naturkatastrophen und Feuer ausbrachen. Überregionaler Handel und das Handwerk gingen zurück und beschränkten sich auf die Erfüllung örtlicher Bedürfnis­se. Die Kriege gegen die Türken (1686) verursachten dann weitere Schäden. Nach der osmanischen Herrschaft wurden die Städte Buda und Pest von neuen Siedlern belebt, und bei der Ständcversammlung 1687 erfuhren die Stadtbewohner, dass die Städte über die besondere Rechtsstellung einer „königliche Freistadt" verfügen. Anderthalb Jahrzehnt dauerte es, bis die Stadtbürger von Ofen und Pest ge­genüber der Wiener Regierung die Selbstverwaltungsrcchtc durchsetzen konnten. Die Bestätigung der privilegierten Rechtsstellung unterzeichnete der König 1703. Die civitas wurde vor einigen Jahrzehnten durch die Stadtforschung und die von der Universität Szeged ausgehende Dorferkundungsbewegung aus der wissenschaft­lichen Öffentlichkeit verdrängt, wozu auch das Werk von Ferenc Erdei beigetragen hat. Im Mittelpunkt des Interesses stand seitdem die Siedlungsstruktur in der Tiefebe­ne, während die königlichen Freistädte lediglich Gegenstände lokalhistorischer For­schungen wurden. Es ist umso erfreulicher, dass die Tagung aus Anlass des 300jährigen Jubiläums wieder die civitates in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gestellt hat.

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