Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Pest-Buda von 1686 bis 1849

Das durch neue Impulse belebte Wirtschaftsleben, von dem vor allem Pest profitierte, übte erklärlicherweise eine steigende Anziehungskraft auf solche Leute aus, die ihr Kapital oder ihre Fachkenntnisse nutzbringend anlegen wollten oder ihrer Unternehmungslust weiteren Spielraum zu sichern suchten. Diese Anziehungskraft wirkte auch auf andere Bevölkerungsschichten des Landes, die sich von der Entwicklung der Hauptstadt zur euro­päischen Großstadt neue Arbeitsgelegenheiten und bessere Erwerbsmöglichkeiten erhofften. Während die Bevölkerungszahl der anderen ungarischen Städte von 1784 bis 1846 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 70 Prozent verzeichnete, stieg die Einwohnerzahl von Pest im gleichen Zeitraum auf das Fünffache und die von Buda auf das Anderthalb­fache an. Mit 100 000 Seelen war Pest nunmehr unbestritten die größte, mit 40 000 Buda auch weiterhin die drittgrößte Stadt Ungarns. Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Schwesternstädte läßt deutlich erkennen, daß Anfang des 19. Jahrhunderts bereits Pest die Führung übernommen hatte. Hand in Hand mit diesem raschen Wachstum wandelte sich auch die Gesellschafts­struktur der städtischen Bevölkerung merklich, weniger in einer zahlen- oder anteilsmäßigen Verschiebung einzelner Gesellschaftsklassen oder Berufsgruppen als vielmehr in der Ver­lagerung der wirtschaftlichen und politischen Stellung und Bedeutung, in den veränderten Kräfteverhältnissen verschiedener Gesellschaftsschichten. Den überwiegenden Teil der Pester Bevölkerung stellten nach wie vor Tagelöhner, Winzer, Lohnarbeiter und Bedienstete, kurz, Angehörige einer Gesellschaftsschicht ohne selbständige bürgerliche Existenz. Die Mehrzahl der Gewerbetreibenden, die ungefähr die Hälfte aller Erwerbstätigen ausmachten, fand ihren Lebensunterhalt im Handwerk, während die Kaufleute, Beamten, Intellektuellen und Freiberuflichen zahlenmäßig nur eine verschwindende Minderheit bildeten. Doch nützte den Handwerkern gegenüber den kapitalkräftigen Großgrundbesitzern, Großunternehmern und Großkaufleuten ihre Mehr­heit nichts, umsonst versuchten sie unter Berufung auf ihre Ratsmitgliedschaft, ihre tra­ditionelle Machtposition innerhalb der städtischen Verwaltung und ihre mittelalterlichen Zunftprivilegien die unaufhaltsame Verbreitung und Erweiterung kapitalistischer Unter­nehmungen aufzuhalten und zu unterbinden. Die führende Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt vermochten sie dieser zahlenmäßig kleinen Unternehmergruppe nicht mehr streitig zu machen. Die frühere wirtschaftliche und politische Vorherrschaft der Zunftmeister wurde aber nicht nur vom zunehmenden Übergewicht der kapitalistischen Unternehmen, sondern auch durch die Konkurrenz der auf der Stör arbeitenden Handwerksgesellen erschüttert. Mit der für alle verbindlichen strengen Zunftordnung und der wirksamen Unterstützung durch den Magistrat hatten die Meister im 18. Jahrhundert die Zahl der in einer Werkstatt zu beschäftigenden Gesellen noch in engen Grenzen halten und den Rest durch Erschwerung der Meisterprüfung zur Auswanderung zwingen können. Damals entfielen auf einen Meister im Durchschnitt je zwei Gesellen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in der Stadt bereits mehrere tausend Gesellen, an deren Seite die zunächst allerdings zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallenden Fabrikarbeiter auf den Plan traten. Von der Verstädterung zeugt auch die rasch zunehmende Zahl der im Dienstleistungs-, vor allem im Gastgewerbe beschäftigten Werktätigen. Mit der Verlegung der staatlichen Verwaltungsbehörden nach Buda stieg die Zahl der dort ansässigen Beamten und Juristen sowie jener Komitats- und Provinzstadtangestellten, 33

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