Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)
Pest-Buda von 1686 bis 1849
die sich kürzere oder längere Zeit in der Stadt aufhielten. Während sie früher nur an Markttagen hier weilten, veranlaßte sie die Erledigung ihrer Geschäfte oder Familienangelegenheiten öfter zu einem längeren Aufenthalt. Die Übersiedlung der Tirnauer Universität bereicherte die Hauptstadt durch eine neue Gesellschaftsschicht, durch Studenten und junge Intellektuelle adliger, bürgerlicher oder auch plebejischer Abstammung sowie durch die Zuwanderung von Gelehrten, Dichtern, Schriftstellern und Künstlern. So klein diese Gruppe auch war, ihr politischer und geistiger Einfluß wirkte sich weit über die Grenzen der Stadt auf das ganze Land aus. Im großen und ganzen blieben die gesellschaftliche Struktur der Bevölkerung von Buda und ihre Verteilung auf die verschiedenen Berufe unverändert. Da die überwiegende Mehrzahl der neu gegründeten Fabriken auf Pest entfiel, das inzwischen auch im Handel die führende Rolle übernommen hatte, bildeten die kapitalistischen Elemente in Buda keine nennenswerte gesellschaftliche Kraft. Die wichtigste Erwerbsquelle der Bevölkerung war nach wie vor der Weinbau. Jeder wohlhabendere Bürger — einschließlich der in Buda tätigen Handwerker — hatte seinen eigenen Weingarten, folglich waren unter den Einwohnern die in den Weinbergen beschäftigten Tagelöhner weiterhin stark vertreten. Selbst der Beamtenapparat der nach Buda verlegten staatlichen Verwaltungsbehörden brachte keine nennenswerte Verschiebung in der früheren Gesellschaftsstruktur von Buda mit sich. Mit dem raschen Bevölkerungszuwachs dehnte sich auch das bebaute Areal der beiden Städte aus. Der feinere Geschmack der zugewanderten Adligen und Beamten und die wachsenden Ansprüche der wohlhabenden Bürger drückten der regen Bautätigkeit in beiden Städten ihren Stempel auf. Die kleinen ebenerdigen, bestenfalls einstöckigen Einfamilienhäuser mit ein oder zwei Wohnungen boten der ständig zunehmenden Bevölkerung nicht genügend Raum, so daß es der Errichtung mehrstöckiger Mietshäuser bedurfte. Der einheitliche Baustil dieser Mietshäuser und die breitere, geradlinige Straßenführung des Ende des 18. Jahrhunderts bereits planmäßig angelegten, neu aus dem Boden wachsenden Stadtteils, der sog. Pester Neustadt (Leopoldstadt), diente später in mancherlei Hinsicht als Vorbild zur endgültigen Ausgestaltung der einheitlichen urbanen Konzeption der Stadt Pest. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt dieser Stadtteil als der vornehmste und eleganteste, hier wohnten die Fabrikanten, Großkaufleute und die meistbeschäftigten Rechtsanwälte. Der nach Norden anschließende Außenbezirk entwickelte sich allmählich zu einem Zentrum der Industriebetriebe. Die Zeit zu einer grundlegenden Neuregelung und ästhetisch ansprechenden Modernisierung der alten, viel zu eng gewordenen Pester Innenstadt und der Vorstädte war gekommen. Zur Planung und Durchführung der neuen Urbanisationsvorhaben wurde unter dem Vorsitz des Palatins 1808 die Pester Verschönerungskommission gegründet. Die großzügig geplanten Arbeiten konnten zwar nur z. T. verwirklicht werden, doch entstanden zu jener Zeit dank der Rührigkeit der Kommission zahlreiche sehenswerte öffentliche Bauten, anspruchsvolle Privatpaläste, schmucke Bürger- und Mietshäuser, die dem Pester Stadtbild ein einheitliches klassizistisches Gepräge verliehen. Den seiner künftigen Bestimmung entsprechenden großstädtischen Charakter verdankte Pest paradoxerweise der verheerenden Hochwasserkatastrophe des Jahres 1838, der annähernd zwei Drittel aller Pester Häuser zum Opfer fielen und die 50 000 Einwohner der beiden Schwesternstädte obdachlos machte. Die über ihre Ufer getretene Donau zerstörte vor allem die alten, aus minderwertigen Baustoffen errichteten Vorstadthäuser. Die nach der 34