Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Die mittelalterlichen Schwesternstädte

auch das Kürschnerhandwerk, hingegen konnten die Weber nur schwer gegen die billigen Massenerzeugnisse der deutschen Tuchmanufakturen und die Messerschmiede kaum noch gegen die erdrückende steirische Konkurrenz ankommen. Der Getreideanbau wurde in beiden Städten immer mehr in den Hintergrund gedrängt und schließlich ganz aufgegeben, so daß die Bevölkerung Grundnahrungsmittel aus der Provinz einführen mußte. Getreide wurde nach Buda und Pest vornehmlich aus der Kleinen Ungarischen Tiefebene auf der Donau verschifft. In der Umgebung von Buda blühte der Weinbau, doch befand sich die Mehrzahl der Weingärten im Besitz wohlhabender Bürger, die daraus nur Nebeneinkünfte bezogen, während der Rest den Eigenbedarf der kleinen Weinbauern deckte. Die in den Weinbergen beschäftigten Tagelöhner, die aus den um­liegenden Dörfern zugewandert waren, vermehrten die Masse der städtischen Plebejer. Durch den Zuzug zur nahen Stadt wurden Dörfer wie Óbudaőrs, Nándor und Sasad entvölkert, so daß sich die beiden letzteren heute überhaupt nicht mehr genau lokalisieren lassen. Die Landflucht war eine Form des bäuerlichen Klassenkampfes. Da der Verkauf von Weingärten im Gegensatz zu dem von Ackerboden keiner besonderen Genehmigung seitens des Grundherrn bedurfte, ließen viele Bauern ihre Dörfer im Stich und pflanzten im Umkreis von Buda Reben. Am linken Donauufer blieb der Haupterwerbszweig die Viehzucht, nur rings um Pest gab es einige Gemüsegärtner, die Melonen, Rettich und Rüben anbauten. Auch hier verödeten die Dörfer, und an ihrer Stelle entstand Weideland für die Viehherden. Das ländliche Handwerk in der Umgebung der beiden Städte schrumpfte infolgedessen zusammen, der Markt der Stadt beherrschte das Dorf. Nur einige weiter entfernte Siedlungen, wie die Marktflecken Tétény und Csepel, wiesen um jene Zeit eine zufriedenstellende wirtschaftliche Entwicklung auf. Daß die Mehrzahl der bürgerlichen Familien schon nach der dritten Generation aus­starb, ist vor allem den unzulänglichen hygienischen Verhältnissen und der hohen Sterb­­lichkeitszifier in den mittelalterlichen Städten zuzuschreiben. Deshalb waren auch Buda und Pest auf ständigen Zuzug von außen angewiesen, vorwiegend aus den umliegenden Gebieten, von denen die Bauern ihre Erzeugnisse auf den Wochenmarkt brachten. Außerdem nahmen beide Schwesternstädte, ganz besonders aber Buda, aus fast allen Städten und Marktflecken des Landes neue Bürger auf. Auch viele Ausländer verlegten ihren Wohnsitz nach Buda, vornehmlich aus den Städten, mit denen die Hauptstadt Ungarns rege Handels­beziehungen unterhielt, also Nürnberg und Wien, d. h. eigentlich aus allen Städten mit deutscher Bevölkerung südlich der Linie von St. Gallen über Nürnberg und Breslau bis Krakau. So erhielt die deutsche Bürgerschaft von Buda dauernd Nachschub, der ihre ge­lichteten Reihen von neuem auffüllte und ihre Verluste wieder ausglich. Hingegen lebten in Pest nur wenige Deutsche. Óbuda, dessen Niedergang sich seit Mitte des 14. Jahrhunderts beschleunigt hatte, begann sich um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert allmählich wieder zu erholen. Bemerkenswert ist, daß die aus den umliegenden Dörfern nach Buda und Pest ziehenden Bauern sich in erster Linie in Óbuda niederließen, um von dort even­tuell nach Buda oder Pest zu übersiedeln. Obwohl keine der beiden Städte Bischofssitz war, bildeten sie doch die kulturellen Zentren des Landes, eine Folge des Mäzenatentums der in Buda residierenden Herrscher und ihres Hofes. Der Glanz und Prunk, den der humanistisch gebildete, kunstsinnige König Matthias Corvinus (1458—1490) in Buda entfaltete, strahlte weit über die Landesgrenzen hinaus und erregte in ganz Europa Aufsehen. Er ließ den Burgpalast im Renaissancestil umbauen 21

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