Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Peter Csendes: Wiener Kasernen

70 Grundrisse, die an französischen Vorbildern orientiert waren. Mächtige, mehrgeschossige, in sich geschlossene Baukörper umgaben große Arkadenhöfe, die als Exerzierplätze genutzt werden konnten. Auf besondere architektonische Gestaltung wurde weitestgehend verzichtet, wie auch für die Wohnbedingungen in den Mannschaftsunterkünften sehr wenig Bedachtnahme aufgewendet wurde. Für diese Phase des Kasernenbaus ist es charakteristisch, dass man größere Areale früherer Adelspalais (Gumpendorfer und Josefstädter Kaserne) oder anderer Baukomplexe - so entstand die Alser Kaserne auf dem Gelände der aufgelassenen Landschaftskademie der Niederösterreichischen Stände - nutzte. Diese frühen Kasemenbauten erlebten im Verlauf des 19. Jahrhunderts vielfache Aus- und Umbauten. So erfuhr etwa die Heumarktkaseme (nunmehr Ferdinandskaseme) um die Mitte des Jahrhunderts größere Veränderungen und Erweiterungen. Markante Auswirkungen auf die Kasernenlandschaft zeitigte das Jahr 1848. Nach der Niederwerfung der Wiener Revolution im Oktober 1848 entwickelte das Militär Strategien gegen den „inneren Feind“. So stimmte man zwar der Aufgabe und dem Abbruch der nicht mehr zeitgemäßen Stadtbefestigungen zu, doch wurden bestimmte Forderungen erhoben. So sollte die neu angelegte Ringstraße durch vier Kasernen gesichert werden. Davon wurden jedoch nur zwei erbaut, die Franz-Josephs-Kaseme, die 1854-1857 nahe der Einmündung des Wienflusses in den Donaukanal in enger Verbindung mit der Stadtbefestigung beiderseits eines Stadttores errichtet wurde, und als Pendant auf Glacisgrund die Rudolfskaseme (1865-1870). Beide Kasernen standen mit Bahnhöfen (Franz-Josefs-Bahn bzw. Verbindungsbahn) in engem Konnex. Mit dem Abbruch der Basteien wurde schließlich 1898 die Franz-Josephs-Kaseme wieder abgetragen. Zu dem militärischen Konzept gehörte auch die Anlage eines neuen Artilleriearsenals, das über der Stadt in einer beherrschenden Lage am Laaer Berg angelegt wurde, nahe und strategisch günstig zum Ost- bzw. Südbahnhof. Alle drei Bauwerke wurden in Rohziegelbauweise mit Türmen und Risaliten unter Berücksichtigung romantischer Stilelemente errichtet. Bei der Planung des Arsenals, das aus 72 Objekten auf einer Grundfläche von 33 ha entstand und u.a. das Heeresgeschichtliche Museum beherbergt, waren so namhafte Architekten August Sicard von Sicardsburg, Eduard van der Nüll, Ludwig Förster, Theophil Hansen und Carl Rösner beteiligt. Dem starken Wachstum der Verbauung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem damit verbundenen Anstieg der Bodenpreise standen die Kasemenbauten im dicht bewohnten Gebiet natürlich entgegen. Dennoch wurden bis in die 1870er Jahre als Langzeitauswirkung von 1848 die Kasernen immer noch ausgebaut, allein die Salzgrieskaseme wurde 1879/80 aufgegeben und abgebrochen. So musste nach dem Ausgleich von 1867 auch noch Vorsorge für die österreichische Landwehr getroffen werden. Den bedeutendsten Einschnitt brachte die „Kasernentransaktion“. 1890 bestand die Wiener Garnison aus vier Truppendivisionen mit sechs Infanterie-, zwei Kavallerie- und zwei Artilleriebrigaden, die neben der Mannschaftsunter­

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