Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Peter Csendes: Stadt und Technik. Wissenschaftlicher Fortschritt und urbane Entwicklung

Peter Csendes 5 Stadt und Technik. Wissenschaftlicher Fortschritt und urbane Entwicklung Die Jahrzehnte zwischen dem Zusammenbruch des Neoabsolutismus und dem Ersten Weltkrieg brachten beiden Hauptstädten, Budapest und Wien, einen gewaltigen urbanen Aufschwung. Für die Entwicklung Wiens ab 1857 war die Aufsprengung der beiden Befestigungsringe, die Stadt und Vorstädte einengten, entscheidend. Stadtmauer, Basteien und Glacis wichen einer repräsentativen Verbauung mit Gartenanlagen und Denkmälern entlang einer Prachtstraße, der Ringstraße. Der Gedanke der „Verschönerung“ war dabei ein wesentliches Motiv, von dem selbst der Kaiser geleitet wurde. Der Staat, die Stadt und das Großbürgertum waren die Repräsentanten und Bauherren der Bewegung, die Wien aus den mittelalterlichen Dimensionen löste und dem barock geprägten Stadtbild einen neuen gestalterischen Schwerpunkt entgegensetzte. Diese Veränderung war ursächlich mit einem wirtschaftlichen Aufschwung der Monarchie verbunden, der die Gesellschaftsstruktur deutlich beeinflusste und sich innerstädtisch im Phänomen einer Citybildung, d.h. einer zunehmenden Verdrängung der Wohnbevölkerung, niederschlug. Die Vorstädte, seit 1850 rechtlich mit Wien verbunden, profitierten vielfältig von dieser Entwicklung, wie sich aus der Sozialtopographie mancher Bezirke ablesen lässt, in denen neue, noble Wohnbauten die ältere Verbauung ersetzten. Es bedeutete allerdings auch, dass andere Bevölkerungsgruppen, tiefer stehende soziale Schichten, ihrerseits in ungünstigere Wohngebiete oder über die Stadtgrenze gedrängt wurden. Auch die Vorstädte wurden von einer alten Befestigung eingeengt, dem Linienwall, der nicht nur als räumliches Hindernis, sondern auch als eine Steuerschranke Wien von seinem Umland, den Vororten, abgrenzte. Erst 1890 konnte diese Hürde überwunden werden. Freilich bedeutete das, dass nun Gemeinden mit Wien vereinigt wurden, die unterschiedlichste soziale, wirtschaftliche und auch bauliche Strukturen aufwiesen. Die Bandbreite reichte von dicht besiedelten Industriegemeinden bis zu Orten mit rein ländlicher Bevölkerung. Doch auch für die Vororte war der Anschluss an Wien letztlich unabdingbar, um alle Anforderungen moderner Infrastruktur erfüllen zu können, die im Weichbild der Metropole unumgänglich waren, die sie jedoch mit eigener Kraft nicht leisten konnten. Prachtbauten und Ingenieurbauten hatten das Stadtbild Wiens in diesen Jahrzehnten wesentlich verändert oder beeinflusst, wirkten sich aber auch vor den Linien aus. Die Gestaltungselemente des Historismus wurden auch im Massenwohnbau der Spätgründerzeit in den Außenbezirken zitiert, später finden sich selbst Motive des Jugendstils in diesem Umfeld wieder. Für Wien bedeutete die

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