Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Katalog - Budapest

227 Landstraße (die nachmalige Kleinring), ln den Jahren nach dem Ausgleich wurde die Idee eines sich auf leichte Gattungen mit Musik spezialisierenden Volkstheaters in nationalem Geist und in ungarischer Sprache von einer gesellschaftlichen Initiative aufgegriffen. Die Gemeinde unterstützte die Aktion durch die Schenkung eines Grundstück auf dem Herminaplatz an der im Bau begriffenen Radialstraße. Das Baukapital gedachte man durch eine Kollekte aufzutreiben, es gelang aber nicht. Dazu kam noch, dass die Radial- Straßenbau-Unternehmung die Oper lieber an der repräsentativen Hauptstraße gesehen hätte. Der Staat übernahm deshalb für 500.000 Forint das Grundstück am Herminaplatzes, auf dem seit 1884 das Gebäude des Opernhauses - ein Entwurf von Miklós Ybl - steht, und diese Transaktion sicherte die Baukosten des Volkstheaters. Das Volkstheater bekam seinen Platz an dem geplanten Großring, an der Ecke der Kerepesistraße (heute Räkoczistraße) und der Sertéskereskedő- (heute: Volks theater-) Straße (auf dem heutigen Blaha-Lujza- Platz). Nach der ursprünglichen Konzeption hätte die Fassade des von Fellner und Helmer entworfenen Gebäudes auf den Großring geblickt, aber in Verbindung mit einer kostendämpfenden Modifizierung wurde auch die Orientierung des Gebäudes verändert: die Hauptfassade blickte in Richtung der Innenstadt, mit der Rückfront zum Großring. Das maßhaltende, harmonische Gebäude im Stil der Neorenaissance war für fast 2.000 Zuschauer geeignet. Obwohl es mit relativ wenig Geld verwirklicht wurde, übertrafen Eleganz und Ausstattung die des Nationaltheaters bei weitem. Ab 1908, nachdem der Abriss des alten Gebäudes beschlossen worden war, zog das Nationaltheater an den Ort des Volkstheaters um. Diese, am Anfang für vorläufig erachtete Lösung stabilisierte sich für Jahrzehnte. Nachdem die Frage eines neuen Standorts des Nationaltheaters nicht gelöst werden konnte, blieb es bis 1964 in dem von Fellner und Helmer entworfenen Gebäude. Dann wurde es wegen des Baus der U-Bahn gesprengt. Das von dem Architektenpaar für Károly Somossy entworfene Somossy Orpheum, das in der Nagymezo-Straße Nr. 17 1894 eröffnet wurde, war ein richtiges Unternehmen der Unterhaltungsindustrie. Das Gebäude von leichter Eleganz und barocker Architektur gab den Anstoß dazu, dass die Umgebung zum großstädtischen Vergnügungsviertel wurde. Den besonderen Reiz des Somossy Orpheums machten seine Operettenaufführungen aus, und die Operette ist auch heute noch hier zu Hause. Nationaltheater, Volkstheater und die Operettenbühne lagen alle an den Hauptverkehrsachsen der Stadt. In den Stadtteilen, die am Ende des Jahrhunderts neu entstanden, gab es fast keine Vergnügungsstätten. Als am Anfang der 1890er Jahre einer gesellschaftlichen und unternehmerischen Initiative zufolge der Plan eines weiteren Theaters Gestalt annahm, das sich Komödien und Burlesken widmen wollte, kam für seinen Standort in erster Linie der Abschnitt des vor dem Fertigwerden stehenden Großrings in der Leopoldstadt in Frage, dessen Umgebung damals vor dem großstädtischen Ausbau stand und der von der Theresienstadt (dem traditionelle Umkreis der deutschsprachigen Orpheen und Singspiele) ebenfalls leicht zu erreichen war. Für diese Aktivität konnte man jedoch keine staatliche Unterstützung

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