Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Eva Offenthaler: Die Wiener Bahnhöfe

142 Von entscheidender Bedeutung war das neue Verkehrsmittel Dampfeisenbahn für die wirtschaftliche Entwicklung Wiens. Der Beginn des Eisenbahnbaus in den 1830er Jahren leitete im Wiener Raum die industrielle Revolution ein. Die Notwendigkeit der Maschinenerzeugung führte zum Aufbau einer Fabriksindustrie. 1836 begann man mit der Errichtung der Werkstätte der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn. Hier wurde 1840 die erste in Österreich gebaute Lokomotive fertig gestellt. Die im selben Jahr in Betrieb genommene, unter der Leitung des englischen Ingenieurs John Haswell nach den neuesten Erkenntnissen großindustriell-arbeitsteiliger Organisation geplante und eingerichtete dampfkraftbetriebene Maschinenfabrik der Wien-Raaber- (Wien- Gloggnitzer) Eisenbahn wurde beispielgebend für die Lokomotiv- und Waggonbauindustrie der ganzen Monarchie. Kaiserin Elisabeth-(West-)Bahn Die heutige Hauptader des österreichischen Bahnnetzes hatte zur Zeit ihrer Entstehung einen viel geringeren Stellenwert, weil sie weder den Zugang zu einem wesentlichen Kohlengebiet noch zu einem wichtigen Seehafen erschloss. Die im Jahre 1858 bis Linz und 1860 bis Salzburg eröffnete Bahn vermittelte hauptsächlich den Verkehr nach Westen und Süden und schloss damit die noch bestehende Lücke: mit dem Norden, Osten und Süden war Wien nämlich bereits seit dem Vormärz durch Bahnlinien verbunden. Der Westbahnhof stammt als einziger der sieben Wiener Bahnhöfe aus der Zeit des Neoabsolutismus. Er wurde 1859 unter der Leitung des Architekten Patzelt vollendet, später aber im Inneren teilweise umgebaut. Die Pläne stammten von Moritz Löhr (der die Baupraxis der Eisenbahnen Nordamerikas studieren konnte, als er Ghega dorthin begleitete), Bayer und Thienemann. Der Komplex bestand aus einem Bürobau vor einem Kopfbahnsteig und zwei Seitenbauten für den abgehenden und ankommenden Reiseverkehr, wobei die Abfahrtsseite repräsentativer gestaltet wurde. Die Personenhalle hatte eine Länge von 164 m, war 27,5 m breit und wurde durch ein Dach in Eisenkonstruktion überspannt. Sie besaß nur vier Gleise und zwei Hauptperrons von 5,1 m Breite. Später wurde an den Hauptperron der Ankunftsseite ein 135 m langer, 7,8 m breiter gedeckter Perron angefügt. Der Abfahrtstrakt besaß ein 446 m2 großes, 10,3 m hohes Vestibül, in dem eine von Hanns Gasser angefertigte Statue der Kaiserin Elisabeth aus Carrara-Marmor stand. Über dem Hauptportal zum Vestibül waren allegorische Sandsteinskulpturen des Bildhauers Johann Meixner angebracht. Im Ankunftstrakt befand sich ein 308 m' großes Vestibül, die Gepäcksabgabe, Wartesäle und Amtsräume. Das Kopfgebäude enthielt unter anderem die Warteräume für den Allerhöchsten Hof. Mit ihren innerhalb Wiens liegenden Strecken befand sich die Bahn zwischen stark anwachsenden Stadtteilen. Mag die Anlage einst großzügig konzipiert gewesen sein, dem steigenden Verkehr wurde sie nun nicht mehr gerecht. Da

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