Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Eva Offenthaler: Die Wiener Bahnhöfe

143 die Halle mit ihren bescheidenen Abmessungen den Bedürfnissen kaum mehr genügte, wurde ein Außenbahnsteig angelegt, doch eine Vergrößerung des Bahnhofs war nicht möglich. Jedoch konnten die beiden weiteren innerhalb der Stadt gelegenen Stationen Penzing und Hütteldorf wesentlich erweitert werden. Noch vor der Jahrhundertwende kam es zu einem Verkehrsanstieg auf täglich 100.000 Reisende, was im Stoßverkehr innerhalb von 18 Stunden 140 abgehenden und ebenso vielen ankommenden Zügen entsprach. Der Westbahnhof wurde während des Zweiten Weltkrieges durch Bomben so stark beschädigt, dass er nach dem Krieg abgetragen werden musste. Der ihn ersetzende Neubau wurde 1951 in Betrieb genommen. Kaiser-Ferdinands-Nordbahn Als älteste Lokomotivbahn Österreichs nahm die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn auf ihrer ersten Teilstrecke Wien-Wagram 1838 den fahrplanmäßigen Betrieb auf. 1839 war die Strecke bis Brünn fertig gestellt, 1840 wurde der regelmäßige Güterverkehr aufgenommen. In wirtschaftlicher und politischer Hinsicht übertraf die Nordbahn bei weitem die Bedeutung der übrigen Bahnen, und zwar hauptsächlich wegen der fast monopolartigen Stellung bei der Kohlenversorgung Österreichs aus dem Kohlengebiet um Mährisch-Ostrau und Witkowitz ab Mitte der 1850er Jahre. Der Hauptbahnhof der Nordbahn befand sich im 2. Wiener Gemeindebezirk. Das erste, 1839 nach Plänen von Anton Jüngling errichtete Aufnahmsgebäude glich tatsächlich einem Bahn-Hof - eine Halle für die Züge gab es nicht, und der Hof des Stationsgebäudes war von einer 2,5 m hohen Mauer umgeben, innerhalb deren die einzelnen Nutzbauten lagen. In Berücksichtigung der damaligen Hochwasserverhältnisse - die Donau war noch nicht reguliert - wurde der Bahnhof 4,4 m über Straßenniveau angelegt. Den Höhenunterschied zum hoch gelegenen Bahnkörper überwanden die Reisenden (getrennt nach 1., 2. und 3. Klasse) über Treppen. Das zweistöckige Aufnahmsgebäude wurde nach Studien englischer Anlagen im klassizistischen Stil errichtet. An Stelle des ursprünglichen wurde in den Jahren 1858-1865 vom Architekten Theodor Hoffmann ein neues Aufnahmsgebäude mit einer von Johann Herrmann konstruierten Personenhalle errichtet. Es handelte sich um ein sehr markantes, von maurischen und toskanischen Einflüssen geprägtes Gebäude mit reicher Ornamentik, das weltweit die prunkvollste im Stil der Romantik gestaltete Fassade besessen haben dürfte und jedenfalls als prunkvollster Bahnhof Wiens galt - entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung der Nordbahn für die Monarchie. Da die Gleisanlagen nur wenig Platz ließen, war eine starke Höhenentwicklung notwendig. Es entstand eine hohe, dreigeschossige Anlage mit fünfgeschossigen Eckbauten und zwei Ecktürmen. Der Trakt für die Abfahrt der Reisenden wurde längs der Zufahrt in der Nordbahnstraße errichtet, jenseits der fünf Hallengleise lag der Trakt für die Ankunft, zwischen beiden eine dreischiffige Halle von 137 m Länge und 32 m Breite. Auf der Abfahrtsseite befanden sich im Gleisniveau Warteräume, Restaurant und Betriebsräume, im Straßenniveau das prunkhaft

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