Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Eva Offenthaler: Die Wiener Bahnhöfe
141 Eva Offenthaler Die Wiener Bahnhöfe Als Haupt- und Residenzstadt wurde Wien im Lauf des 19. Jahrhunderts zum Zentrum des österreichischen Eisenbahnnetzes. Von hier aus wurden kontinuierlich Bahnlinien in alle Teile der Monarchie geführt. Den Anfang machte die erste auf österreichischem Boden errichtete Dampfeisenbahn, die von Franz Xaver Riepl projektierte und vom Bankhaus Rothschild finanzierte Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, deren Strecke Floridsdorf-Deutsch-Wagram im November 1837 eröffnet wurde und die im Jahr darauf bereits über die Donau bis zum Praterstem führte. 1838 wurde die zunächst als „Wien-Raaber-“, dann als „Wien-Gloggnitzer-Bahn“ bezeichnete Südbahn bzw. Ostbahn angelegt, die 1841 ihren Betrieb aufnahm. Nach der Jahrhundertmitte folgten dann West-, Nordwest-, Franz-Josefs- und Aspangbahn. Ein Problem stellte vor der Schaffung entsprechender Linien die Verbindung der Bahnhöfe bzw. Bahnlinien untereinander dar. Diese Lücke schlossen später die Stadtbahn, die Wiener Verbindungsbahn sowie die 45 km lange Kreislinie der Donauufer- und Donauländebahn und sowie die Vorortelinie der Wiener Stadtbahn. Der Bau der ersten wichtigen Bahnhöfe der Stadt geschah binnen weniger Jahrzehnte. Noch im Vormärz wurden die drei ersten Kopfbahnhöfe errichtet. Knapp vor der Wirtschaftskrise des Jahres 1873 war die große Bahnhofsbautätigkeit in Wien abgeschlossen. Insgesamt sieben nach den von ihnen ausgehenden Bahnen benannte Bahnhöfe vermittelten ab nun den Bahnverkehr. In architektonischer Hinsicht bestimmte der die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschende Stil des Historismus auch den größten Teil des Eisenbahnbaus. Im städtischen Bereich kam bei der Gestaltung der Aufnahmsgebäude nach eher bescheidenen Anfängen auch der Repräsentationsgedanke zum Tragen. Der erste Wiener Bahnhof, der auch als Prunkbau errichtet wurde, war der Kaiserin-Elisabeth-(West-)Bahnhof. Seine gewaltigste Ausprägung fand der Repräsentationsgedanke in Wien allerdings im heute eher skurril anmutenden Kopfbahnhof der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn. Doch nicht nur die architektonische Entwicklung, sondern auch der technische Fortschritt lässt sich an den einzelnen Bahnhofsbauten ablesen. Während beim Bau der frühen Wiener Bahnhöfe Holz, Eisen und Glas zum Einsatz kamen, ging man später schrittweise von der hölzernen Dachkonstruktion zur reinen Eisenkonstruktion über. Als erstes der neuen Bahnhofsgebäude in Wien erforderte der 1857-1859 entstandene Westbahnhof die Überdachung von vier Gleisen. Von da an erhielten sämtliche Wiener Bahnhöfe große Eisenkonstruktionen zur Überdachung der Gleisanlagen im Bahnhofsbereich.