Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Ferenc Vadas: Das Vollbahnnetz und die Bahnhöfe

138 Das Eisenbahnwesen Budapests um die Jahrhundertwende Das ungarische Bahnsystem nach dem Ausgleich war durch ein gemischtes System charakterisiert: Ein Teil der Linien wurde von der MÁV, ein anderer Teil von Privatgesellschaften erbaut und geführt. Ziel der Regierung war es, ein radiales Netz mit Budapest als Zentrum zu entwickeln, wie es in den 1840er Jahren schon einmal geplant gewesen, wovon man aber in den 1850er Jahren abgekommen war. In den 1880er Jahren begann in der ungarischen Bahnpolitik eine neue Zeit, die mit dem Namen des energischen Staatssekretärs und späteren Handelsministers Gábor Baross verbunden ist: Ihr Ziel war die Ablösung der Privatgesellschaften und der Ausbau der Hegemonie der Ungarischen Staatseisenbahnen. Die MÁV schluckte 1891 den größten Konkurrenten, die StEG. Dies betraf die Bahnhöfe der Hauptstadt insofern, als ihre Namen verändert wurden: der Bahnhof der StEG bekam den Namen Westbahnhof, der zentrale Personenbahnhof der MÁV wurde nunmehr Ostbahnhof genannt, und sie tragen diese Namen bis heute. Zum Ankauf der Südbahn kam es bis zum Ersten Weltkrieg nicht, ihr Bahnhof ist der Südbahnhof. Diese drei Bahnhöfe wickelten weiterhin den Personenverkehr der Hauptstadt ab (der Bahnhof von Józsefváros war seit langem Frachtenbahnhof), am selben Standort und mit unverändertem Liniennetz. Es ergibt sich aus ihrer Vergangenheit, dass die Namen der Bahnhöfe nicht mit ihrer Lage korrespondieren, weder in Bezug zu einander, noch gemäß der Stadtstruktur (den Ostbahnhof ausgenommen) oder der Richtung der Mehrzahl der aus der Stadt führenden Linien. Ein neuer Hauptbahnhof wurde nicht errichtet, wohl aber entstanden Rangierbahnhöfe entlang der bereits existierenden Linien. Das Netz wurde ausgeweitet: Mit der 1896 fertig gewordenen nördlichen Bahnbrücke schloss sich die aus nordwestlicher Richtung in Ofen ankommende Linie von Gran dem Pester Netz an. In ihrer Fortsetzung, an der damaligen nordöstlichen Stadtgrenze, wurde die (linksufrige) Umlaufbahn schon 1889 ausgebaut (bis zu dem Stadtteil Kőbánya). Die Umgestaltung des Budapester Eisenbahnnetzes, die Verlegung der Bahnhöfe war am Anfang des 20. Jahrhunderts eine ständig auf der Tagesordnung stehende Frage. Zuerst schlug man bereits in den 1890er Jahren die Auslagerung des Westbahnhofs vor, als eines Hindernisses der Stadtentwicklung, letztlich wurde aber nur sein Frachtverkehr aufgegeben. Bis zur Jahrhundertwende wurde ein Konsens darüber erzielt, dass das gesamte Eisenbahnnetz der Hauptstadt eines gründlichen Umbaus bedürfe. Man sah die Lösung gewöhnlich in der Aufgabe des Hauptbahnhofsystems und in der Errichtung eines einzigen, großen, zentralen Personenbahnhofs (und getrennter Frachtenbahnhöfe), und außerdem in der Auflassung der Gleise innerhalb der Stadt oder wenigstens gewisser Teile der Stadt. Der Plan mit der größten Wirkung gelangte 1898 an die Öffentlichkeit. Sein Verfasser war der hervorragende Ingenieur Szilárd Zielinski, der für die detailliert ausgearbeitete Variante seines Entwurfes einige Jahre später als erster den Doktorgrad der Ingenieurwissenschaften in Ungarn erhielt. Das Wesentliche seines Konzepts

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