Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Ferenc Vadas: Das Vollbahnnetz und die Bahnhöfe
136 Privatgesellschaft, sie führte einen jahrzehntelangen Prozess mit der Stadt Pest, und ihr Aufnahmsgebäude stand auf dem Boden des projektierten Großrings, der damals im Entstehen war. 1872 machte die StEG ein großzügiges Angebot: Sie würde auf eigene Kosten den Wunsch der Hauptstadt nach Fußgängertunneln und Hochstraßen zwischen den Stadteilen, die durch den Bahnhof voneinander getrennt wurden, erfüllen und ein neues Aufnahmsgebäude errichten, gegenüber dem alten zurückgerückt, entlang der Routenführung der Ringstraße. Das Konzept des letzteren wurde von August Wieczffinski de Serres, dem französischen Ingenieur der Gesellschaft (von 1875 an Baudirektor), ausgearbeitet. Ähnlich wie der frühere, war dies auch ein zweiseitiger Hauptbahnhof, aber die bisherigen Abfahrts- und Ankunftsseiten waren gegeneinander vertauscht. Die 42 Meter breite Ankunftshalle war um ein Vielfaches größerer als alle Bauten mit Eisenkonstruktion, die es bis dahin in Ungam gab. Die Aufnahmeflügel, die gewöhnlich aus traditionellem Material errichtet waren, wurden ebenfalls mit Eisenkonstruktion und Eisenriegelwand gebaut, sodass die Zwischenwände leicht zu verlegen waren. Die Flügel waren stark asymmetrisch gestaltet, wobei der Bereich der Abfahrtsseite viel größer ausfiel. Eine enorme Kassenhalle nahm die Mitte der Seitenfassade ein, und an den beiden Seiten bildeten der zum Hauptgebäude senkrecht angeordnete Pavillon, das Restaurant und das Postamt den Abfahrts-Vorhof, einem cour d'honneur ähnlich. Aus dem Ankunfts-Seitenflügel hob sich nur die Masse des an seinem Ende anstoßenden Hofpavillons ab sowie ein verzierter Eckpavillon an der Hauptfassade, der zusammen mit seinem Pendant die Glaswand (die die Außenfläche der Empfangshalle völlig ausfüllt) symmetrisch einrahmt. Für die weitere Planung und Ausfühmng schrieb die StEG einen Wettbewerb für einen Generaluntemehmer aus, zu dem sie österreichische und französische Firmen einlud. Die Firma Eiffel & Companie gewann diese Ausschreibung gegen die Compagnie de Fives-Lille, die den Bahnhof der Gesellschaft in Wien baute. Die berühmte Firma änderte die Pläne an mehreren Stellen: Die Eisenkonstruktion wurde verändert, die Gusseisenomamente auf den Fassaden bekamen eine noch bedeutendere Rolle, die wesentlichen Partien des Plans blieben aber unverändert. Der Grundriss der Aufnahmeflügel folgte teilweise dem Wiener Bahnhof der StEG und teilweise dem Pariser Gare d'Austerlitz, der Vorbild für die Empfangshalle war. Der Baustil zitiert eindeutig den Geschmack des „second empire“, mit Ausnahme des Wiener barock gestalteten Hofpavillons, eines komplexen, auch in sich asymmetrischen Baus. Die wichtigsten Effekte des zwischen 1875 und 1877 errichteten, „französischsten“ Gebäudes von Budapest sind der Kontrast zwischen den mit Loggien und Türmen reich verzierten Pavillons und der Glaswand der Halle, und außerdem das Fehlen eines gestalteten Vordergrunds, wodurch der Anblick der Züge zu einem Teil des Straßenbildes wurde.