Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Ferenc Vadas: Das Vollbahnnetz und die Bahnhöfe
135 Standortvarianten des Personenbahnhofs unterscheiden sich auch dadurch, ob er näher oder etwas entfernter zum Stadtzentrum liegen sollte. Beide Varianten sehen ihn östlich vom Zentrum vor, in der Ost-West-Achse von Pest, entlang der Kerepesistraße und nördlich vom Bahnhof von Józsefváros. Eine Möglichkeit sieht den Platz des heutigen Ostbahnhofs als Standort, die andere würde ihn näher ans Zentrum, bis zum Großring, rücken, dessen Planung genau zu dieser Zeit begann. Die Pläne für die letztere, vom Hauptstädtischen Rat für Öffentliche Arbeiten vorgeschlagene Lösung wurden detaillierter ausgearbeitet: ein zweiseitig angelegter Hauptbahnhof mit einer strengen Trennung des abfahrenden und ankommenden Personenverkehrs, eine symmetrische Massengestaltung mit Seitenflügeln, gegliedert durch breitere, mittlere und kleinere Eckpavillons, der mittlere Teil der Hauptfassade durch ein Turmpaar abgegrenzt, das den Einfluss des Pariser Gare de l'Est zeigt. Eine Besonderheit des Entwurfs war, dass die Bahn auf einen Damm hineingeführt wurde und die Züge daher nicht im Erdgeschoss des Gebäudes, sondern im ersten Stockwerk angekommen wären. In der Linienführung wie beim Standort des Bahnhofs wäre die stadtnahe Lösung die teurere gewesen. Da die Munizipalbehörden von Pest und Ofen die innere Linienführung der Verbindungsbahn als eine vitale Frage ansahen, wählte die Regierung - für die die Gesamtkosten zu hoch waren - im Fall des Personenbahnhofs die billigere Lösung. Das Parlament beschloss dies 1872. Noch in jenem Jahr kam die Idee des Baus eines Frachtenbahnhofs am Donauufer mit in dieses Projekt. Dies machte es möglich, dass der Bahnhof der Józsefváros nur noch dem Personenverkehr diente. So wurde das Thema eines zentralen Personenbahnhofs von der Tagesordnung abgesetzt und das Projekt zu dem zuletzt verwirklichten Punkt in der Reihe der Investitionen, die die größten Lücken in der städtischen Infrastruktur schließen sollten. Aufgrund des Börsenkrachs von 1873 wurde die Budapester Verbindungsbahn erst im Oktober 1877, also viel später als geplant, fertig. Ihre 471 Meter lange Brücke war die dritte Budapester Donaubrücke. 1878 baute man eine Flügellinie zum damals bereits errichteten, repräsentativen Gebäude des unteren Uferabschnittes von Pest, zum Hauptzollamt. Dann, im Jahr 1880, nahm man den Bau des Frachtbahnhofs in Angriff. 1881 musste man mit dem Bau des zentralen Personenbahnhofs beginnen, weil die MÁV sich im letzten Jahrzehnt zur größten Bahngesellschaft des Landes entwickelt hatte, und die Staatseisenbahngesellschaft, die ihr wichtigster Konkurrent war, bis dahin ein neues, prestigeträchtiges, ebenfalls mit einer große Herausforderung verbundenes Gebäude erbauen ließ. Das neue Aufnahmsgebäude der Staatseisenbahngesellschaft Bis zu den 1870er Jahren geriet die StEG in eine schwere Situation: Im Gegensatz zu der sich dynamisch entwickelnden ungarischen Staatseisenbahngesellschaft war sie eine - sogar in ihrem Name fremde -