Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Eva Offenthaler: Der öffentliche Verkehr in Wien

125 Wien immerhin schon seit der Errichtung des Kraftwerkes Leopoldstadt durch die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ 1889 gegeben, das bis 1902 für den Straßenbahnverkehr in Betrieb bleiben sollte und dann durch das städtische Elektrizitätswerk Simmering abgelöst wurde. Die erste von der WT elektrifizierte Straßenbahnlinie war eine 9,7 km lange Verbindung aus zahlreichen bestehenden Pferdetramwaylinien („Nördliche Transversallinie“) und führte von der Remise in der Vorgartenstraße bis zum Raimundtheater in der Wallgasse (die Streckenführung entspricht fast genau der späteren Linie 5). Die Elektrifizierungsarbeiten wurden im Herbst 1896 von der Berliner „Union-Elektrizitäts-Gesellschaft“ durchgeführt. Am 28. Jänner 1897, einen Tag nach der feierlichen Eröffnung, wurde der planmäßige Betrieb aufgenommen. Der Eröffnungszug benötigte für die Strecke vom Prater bis zum Raimundtheater 47 Minuten, somit 14 Minuten weniger als der Pferdewagen. Als Höchstgeschwindigkeit waren auf der Transversallinie 15 km/h festgelegt. Von den Wienern wurde die „Elektrische“ mit großem Interesse aufgenommen. Die Wagen wurden stellenweise gestürmt, die Polizei musste einschreiten, und das Fahren gefiel manchen so gut, dass sie an der Endstation gar nicht aussteigen wollten, sondern gleich Karten für die Rückfahrt lösten. Als gegen Abend entlang der Leitung und an den Rädern sprühende Funken sichtbar wurden, soll es im Publikum „Rufe des Entzückens“ über dieses Feuerwerk gegeben haben. Das „Morgen-Extrablatt“ berichtete: Wir hatten Gelegenheit, einen Motorwagen zur Nachtzeit zu sehen. Das erhellte Vehikel machte sich wirklich schön, und wie es über die Schienen dahinflog, begannen auf den über die Straße gespannten Drähten bläuliche Funken zu hüpfen Auch akustisch machte sich die neue Errungenschaft bemerkbar: Das vom Kondukteur gegebene Signal wurde als „neues Instrument in der Lärmsymphonie unserer Straßen“ wahrgenommen. Anlässlich der Kaiser-Jubiläumsausstellung im Jahre 1898 wurden auch die Strecken Ausstellungsstraße-Rotunde und Radetzkybrücke-Hauptallee elektrifiziert (jedoch nicht mehr von der Union-Elektrizitäts-Gesellschaft, sondern schon von Siemens & Halske). Ein ungewöhnliches Hindernis für die Elektrifizierung war ästhetischer Natur und ergab sich aus der Tatsache, dass Kaiser Franz Joseph eine „Verschandelung“ der Ringstraße und der Mariahilfer Straße befürchtete und daher auf diesen Prachtstraßen Oberleitungen untersagte. Man löste das Problem zunächst durch den Gebrauch von Akkumulatorwagen, bis 1901 das Unterleitungssystem eingesetzt wurde. Auf den Tag genau fünf Jahre nach Inbetriebnahme der elektrischen Straßenbahn war das gesamte Netz der ehemaligen WT am 28. Jänner 1902 auf 1 1 „Morgen-Extrablatt“ vom 28.1.1897. Zitiert nach: Harald Marincig, 100 Jahre „Elektrische“ in Wien., 16.

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