Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Eva Offenthaler: Der öffentliche Verkehr in Wien
124 Paris, London, Berlin und Hamburg hatten bereits Tramways - New York sogar schon seit 1850 als in Wien erstmals die Bewilligung zum Bau einer Pferdebahn-Probestrecke erteilt wurde, und zwar an die Genfer Firma Carl Schaeck-Jaquet & Co. im Jahre 1865. Die 3,5 km lange Probelinie führte vom Schottentor über die Alser Straße nach Hernals und wurde später bis nach Dombach verlängert. Am 4. Oktober 1865 unternahm die „Erste privilegierte Kaiser-Franz-Josef Pferde-Eisenbahn“ ihre erste Fahrt, die im Allgemeinen gut vonstatten ging, nur unmittelbar vor dem Ziel entgleiste ein Wagen. Die Pferdebahn wurde vom Publikum begeistert aufgenommen und erfreute sich in den folgenden Tagen ungeheuren Andrangs. Am 8. Oktober hatte sie schon 3.000 Passagiere befördert, und viele weitere warteten: Das Gedränge um die Plätze war so groß, dass es zu zerfetzten Kleidern und zerrissenen Krinolinen gekommen sein soll, eine Treppe brach ein und ein Dach senkte sich. Einem Zeitungsbericht zufolge entspann sich in der nächsten Zeit ein „Guerillakrieg“ mit den anderen Kutschern, die es mit dem alten, gemütlicheren Stellwagenbetrieb hielten. Für Zwischenfälle sorgten auch Buben, die sich ein Vergnügen daraus machten, Kiesel in die Schienen zu legen, was jedes Mal zu neuen Entgleisungen führte. Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten (ständige Entgleisung bei einer Weiche) entsprach der Betrieb jedoch den Erwartungen, und der große Erfolg dieser Linie ließ die Firma die „Wiener Tramway- Gesellschaft“ (WT) gründen, die zum dominierenden Verkehrsuntemehmen aufsteigen sollte. 1872 folgte ein zweites Unternehmen, die „Neue Wiener Tramway-Gesellschaft“ (NWT), die die Konzession zur Errichtung eines Systems von Tramwaylinien in den Vororten erhielt. Im Jahr 1868 brachte eine betriebliche Neuerung eine Beschleunigung der Straßenbahn: Es wurden fixe Haltestellen eingerichtet, sodass nicht länger jeder Fahrgast zwecks Ein- oder Aussteigens die Tramway an beliebiger Stelle aufhalten konnte. Einen starken Impuls für die Ausweitung des Straßenbahnnetzes setzte die Wiener Weltausstellung 1873. Die Gesamtfrequenz stieg zu dieser Zeit von 18,8 (1872) auf 31,1 Millionen Fahrgäste (1873), und es waren 554 Wagen auf 37 Streckenkilometem in Betrieb. Dann aber stagnierte der Ausbau infolge der Wirtschaftskrise. Die „Elektrische“ Die Bewohner der Haupt- und Residenzstadt kamen erst recht spät, nämlich 1897, in den Genuss der ersten elektrischen Straßenbahn. Sogar im oberösterreichischen Gmunden gab es schon seit zwei Jahren eine „Elektrische“, und im Süden Wiens war bereits 1883 die erste für den Dauerbetrieb eingerichtete elektrische Straßenbahn des Kontinents eröffnet worden. Sie führte von Mödling in die Klausen und wurde bald darauf bis in die Hinterbrühl verlängert. In Wien dauerte es noch geraume Zeit, bis die Straßenbahn „aus dem Dämmer der kommissionellen Erhebungen in das Tageslicht gerückt“ wurde, wie es ein zeitgenössischer Zeitungsartikel formulierte. Die Voraussetzungen für ein elektrisches Straßenbahnnetz waren in