Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Eva Offenthaler: Der öffentliche Verkehr in Wien

121 Eva Offenthaler Der öffentliche Verkehr in Wien Auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs hat Wien im Lauf des 19. Jahrhunderts ganz entscheidende Veränderungen erfahren. Zum Einen verlangte und ermöglichte die in diesem Jahrhundert erfolgte Stadtentwicklung neue Verkehrsmittel und -wege, zum Anderen traten die Energieträger Dampf und Elektrizität ihren Siegeszug an und ersetzten nach und nach die Pferdekraft. Frühe Verkehrsmittel In knappe Worte gefasst, war die Entwicklung des Personentransports im betrachteten Zeitraum die vom Tragsessel hin zur Stadtbahn. Für den Anfang des 19. Jahrhunderts gibt Reális in seinem „Curiositäten- und Memorabilien- Lexicon von Wien“ (1846) die Zahl der in Verwendung stehenden Tragsessel mit 80 Stück an. Noch in den 1820er Jahren soll das Tragsessel-Institut in ziemlich schwunghaftem Betrieb gewesen sein. Weidmanns „Fremdenführer von Wien“ nennt 1852 noch 16 Standplätze von Sesselträgem, diese würden jedoch inzwischen nur noch von Damen oder leidenden Personen benutzt, die die Bewegung des Fahrens nicht vertrügen. Bemerkenswerterweise wurden die Konzessionen der beiden letzten Sesselträger aber erst 1888 zurückgelegt. Weitaus beständiger als die altmodischen Sitzkästen mit dem aristokratischen Touch waren die Fiaker. Reális zufolge waren es um 1846 beinahe 700. Noch um 1905 gab es in Wien 1.000 Fiaker und 1.800 Einspänner. Die Fiaker standen von 7 Uhr morgens bis 10 Uhr abends auf bestimmten Plätzen der Stadt und der Vorstädte in Bereitschaft. Die Wagen waren mit Nummern versehen und befanden sich unter der Aufsicht eines Kommissärs der k. k. Polizei- Oberdirektion. Weiters führt Reális an: Die Wiener Fiaker sind die kühnsten und geschicktesten Kutscher und voll schlagfertigen Humors, echten Mutterwitzes und origineller Ideen. Doch sind sie hin und wieder auch die Roheit seihst, besonders in der Behandlung ihrer Pferde. Noch auffallender ist die Frechheit des Schnellfahrens; denn sie kommen darin den Herrschaftskutschern gleich.1 Das hier angesprochene „Schnellfahren“ war übrigens ein viel beklagter Missstand. Glaubt man zeitgenössischen Berichten, so war die Situation für 1 Reális, Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien, Bd. 1, 433. Lokalpatriotismus spricht auch aus J. Wimmer, der im Neuen Wiener Tagblatt vom 12.4.1878 den Fiaker als „Rubinstein des Kutschbocks“ bezeichnete.

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