Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Zsuzsa Frisnyák: Verkehrslinien und räumliche Struktur Budapests

110 Zonen sind angesichts ihrer Bedeutung zwei Industriegebiete besonders zu erwähnen. Die ältere, die in kleineren Einheiten bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand, sich aber erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit entfaltete und vergrößerte, ist das Gebiet zwischen der Donau und dem Bahnhof der Ungarischen Zentralbahn 1 (Fa tér = Holzplatz). Hier arbeiteten die Valero-Seidenmanufaktur, eine Walzenmühle, eine Maschinenfabrik und eine Zuckerraffinerie, aber hier befand sich auch - offensichtlich nicht zufällig - das Schiffsamt. Dieser vom Wasserweg und der Bahn eingeschlossene Bereich dehnte sich nach Norden aus, am Ende des Jahrhunderts standen hier schon sieben riesige Mühlen, Maschinenfabriken, außerdem noch Lagerhäuser, ein Chemiewerk, eine Wollwäscherei, eine Brennerei, eine Asphaltfabrik usw., durchwegs transportabhängige Branchen. Diese Zone wurde nicht mehr allein vom Westbahnhof bedient, sondern auch von der hauptstädtischen Kreisbahnlinie, deren Industriegleise fast bis zu den Fabriktoren reichten.1 Die südliche, jüngere Industriezone der Hauptstadt überlagerte den Wasserweg der Donau besser. Die engere Wasserwegverbindung des Gebiets drückt sich auch in dessen Anlage aus: Die Mühlen, Maschinenfabriken, Lagerhäuser und das Schlachthaus reihen sich entlang eines etwa 2,4 Kilometer langen Verkehrsweges vom Hauptzollamt bis zum Frachtbahnhof der Ungarischen Staatsbahnen am Donauufer bzw. bis zur südlichen Verbindungsbahnbrücke aneinander. Um die Nachteile des Donautransports1 2 zu reduzieren, läuft außerdem eine Bahn parallel zum Strom. Ein Gleis der Bahn führt zu einem Aufzug, dessen - als Förderband funktionierende - Konstruktion das kontinuierliche Umladen des Getreides zwischen Schiffen und Eisenbahnwaggons sicherte. Diese spezifische Infrastruktur rundete die Einrichtungen des Frachtbahnhofs ab.3 1 Innerhalb der Stadt verbindet die Kreisbahn das linke und rechte Ufer des radialen Schienenstranges mit den Industrieanlagen im Umkreis der Stadt. Bis zum Jahr 1895 schließen sich 46 Budapester Großunternehmen mit eigenen Industriegleisen an die Linien der MÁV an. Die industrieanziehende Auswirkung der Bahnlinien zeigt, dass von den 46 Großunternehmen nur fünf Industriegleise länger als einen Kilometer ausbauen mussten. Die Industriegleise der Großunternehmen erreichten innerhalb von ein paar hundert Metern die Linien der Staatsbahnen. 2 Die Schifffahrt ist langsam und vom Wetter beeinflusst. Aber der größte Nachteil: Mit Ausnahme der Batschka erreicht die Donau jene Regionen Ungarns, die die Massenfrüchte produzieren, nicht direkt. 3 In der Hauptstadt der Jahrhundertwende sind die Auswirkungen des Verkehrs und der Industrieproduktion in der Luft auch schon merkbar, Staub fliegt über die Stadt: „die eigenartige, gräuliche Verbindung der Luft erscheint schon von weither, die allgemein die großen Städte belegen, in denen Arbeit und Aktivität Hunderttausender ist.” - schreibt Béla Lukács in der Serie „Österreichisch-Ungarische Monarchie im Bild und Schrift“. In dem allgemeinen Denken ist es noch nicht bewusst, dass der Verkehr und

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