Manfried Rauchensteiner: Waffentreue – Die 12. Isonzoschlacht 1917

Manfried Rauchensteiner: Einleitung

mitgeteilt. Doch sie machten sich auch so ihren Reim. Der Artillerie wurden auf einmal Giftgasgranaten zugeschoben. Es gab plötzlich und erstmals Helme für alle Fronttruppen. Als alarmierend wurde auch gewertet, dass die obligatorischen Postkarten mit dem Vordruck „Ich bin gesund und mir geht es gut“ in allen zwölf Hauptsprachen der Monarchie verteilt wurden. Jeder bekam zehn Karten. Mangel herrschte aber weiterhin. Es gab wenig Essen, kein Salz und keine Zigaretten. Dafür tauchte am 28. September plötzlich der „Rote Baron“, Manfred von Richthofen, auf und versetze die Italiener offenbar in Schrecken.' Das Wort von einer österreichisch-deutschen Offensive machte die Runde. Jetzt setzten auch die Italiener Giftgas ein - zum ersten Mal am oberen Isonzo. Dann gab es Bier, Zündhölzer und Kartoffelsuppe. Ungesalzen. Höher gelegene Stellungen erreichte warmes Essen in der Regel nur alle drei bis vier Tage. Es regnete. Die Bora blies. Und es kam immer mehr Munition.1 2 Jeder rechnete täglich damit, dass die Offensive beginnen würde. Auf der anderen Seite waren auch die Italiener durchaus gewärtig, dass sich etwas vorbereitete, und natürlich war ihnen auch nicht die Anwesenheit deutscher Truppen entgangen. Doch sie fühlten sich in ihren tief gestaffelten, hervorragend ausgebauten Stellungen von der Kärntner Grenze bis zur Adria und angesichts der Möglichkeit, auf der inneren Linie in der Ebene des Friaul und des Veneto rasch Truppen verschieben zu können, sicher genug, um auch diese Bedrohung hinzunehmen. Zuletzt ignorierten sie die konkreten Angaben von Überläufern der k. u. k. Armee, die freilich weder den Frontkommandanten noch den Generalstäblern auf den oberen Führungsebenen das vermitteln konnten, was sich zusammenbraute - denn sie wussten es selbst nicht. Vor allem ließ sich italienischerseits nicht abschätzen, welche Wirkung jene Kriegsmittel und taktischen Verfahren haben würden, welche die deutsche 14. Armee zur Anwendung bringen wollte. Insbesondere wussten die Italiener zum wenigsten etwas von der Wirkung der Giftgasgranaten, die ein deutsches Gaswerferbataillon einsetzen würde. Wie denn auch? Nicht einmal die Deutschen wussten, ob sie damit Erfolg haben würden. Für die Italiener nahm das Verhängnis am 24. Oktober 1917 um 02.00 Uhr seinen Lauf. Die Durchbruchsschlacht von Flitsch, das die Slowenen Bovec und die Italiener Plezzo nannten, und Tolmein/Tolmin/Tolmino begann. Nach massiertem Artilleriefeuer, Giftgas und neuerlichem Artilleriefeuer setzten sich die deutschen und österreichisch-ungarischen Angriffskolonnen in Bewegung, überwanden Hindernis für Hindernis, konnten auch alle Bergrücken übersteigen und die Italiener aus ihren Stellungen verdrängen, so dass bereits nach 24 Stunden die schwierigsten Abschnitte passiert waren. Nach weiteren 48 Stunden drängten die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in die Ebene. Und dann 1 Triska, Jan F.: The Great War’s Forgotten Front. A Soldier’s Diary and a Son’s Reflection. Bolder-New York 1998, S. 54 f. 2 Ebenda, S. 58. 5

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