Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
evangelicorum um die Reform des Gerichtes überzeugt, dass das Reich nicht mehr reformierbar war. Er teilte nun die Meinung des Reichsvizekanzlers Colloredo, dass das eigentliche Ziel, zumindest der Kurfürsten von Brandenburg und Hannover die Zerstörung des Reiches war. Seine zukünftige Aufgabe sah er daher in einer Politik zur Stärkung der Großmacht Österreich. In einer tief greifenden Reform wollte er Österreich zu einem nach den Maximen der Aufklärung gestalteten modernen Staat machen. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckte er auch vor Brüchen der Reichsverfassung nicht zurück. Mit seinen zweimaligen Versuchen, Bayern gegen die österreichischen Niederlande zu vertauschen (1778 und 1784) erregte er im Reich Misstrauen. Friedrich II. benutzte die Erregung im Reich, indem er 1785 den Fürstenbund gründete, dessen Ziel angeblich die Erhaltung der Reichsverfassung war. Unter dieser Maxime gelang es Friedrich II., den Einfluss des Kaisers auf das Reich weitgehend zu zerstören. Der österreichische Gesandte in Mainz schrieb in seinem Bericht vom 6. Februar 178615, „er wüßte fast gar keinen Fürsten im Reich anzugeben, auf den Österreich zählen könne.“ Mit einer Neuordnung der geistlichen Verhältnisse Österreichs wollte Joseph II. die Kirche Österreichs nach den Vorstellungen der katholischen Aufklärung reformieren. Da er innerhalb Österreichs einheitliche Verhältnisse schaffen wollte, ging er, als er nach dem Tod seiner Mutter 1780 Alleinherrscher Österreichs wurde, daran, die auf österreichisches Territorium ausgreifenden Teile reichischer Diözesen abzutrennen und österreichischen Diözesen zuzuteilen. Er verletzte damit die Rechte seiner treuesten Klientel, der geistlichen Fürsten. Am Ende seines Lebens 1790 galt Joseph II., der 1765 sein kaiserliches Amt mit großem Enthusiasmus angetreten hatte, als Zerstörer der altehrwürdigen Reichsverfassung. Mit seiner Kirchenpolitik hatte er eine wichtige Verbindung zwischen Österreich und dem Reich gekappt. Leopold II. (1790-1792) konnte in seiner Regierungszeit keine Reichspolitik mit anderen Akzenten entwickeln. Kurz nach seinem Tod am 1. März 1792 traf die Kriegserklärung des revolutionären Frankreichs (20. April 1792) ein. Diesmal waren Österreich und Preußen Verbündete. Der Krieg gegen Frankreich, der erst als ein einfacher Spaziergang nach Paris geplant war, wurde zum Schicksalskampf, in dem nach dreizehn Kriegsjahren das Reich unterging. Zwei Tage nachdem das Reich Frankreich 1793 den Krieg erklärt hatte, ernannte Kaiser Franz II. Johann Amadeus von Thugut zum leitenden österreichischen Minister. Thugut hatte sich dem Kaiser mit einer Denkschrift empfohlen, in der er zum Ausdruck brachte, dass Bericht des Grafen Trauttmansdorff von 6. 2. 1786, veröff. in: Aretin, Karl Otmar v.: Heiliges Römisches Reich, 1776-1806. Reichsverfassung und Staatssouveränität, Band 2, 1967, S. 142-150. In dem sehr ausführlichen Bericht ging es um die Frage, auf welche Stände Österreich in seinem Gesandtschaftsbereich zählen könne. 23