Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
er in diesem Krieg auf das Reich und seine Interessen keine Rücksicht nehmen würde. „Das Reich ist verloren“, hieß es da16, und kann nur noch von Österreich und Preußen Rettung erwarten. Deshalb sind diese Mächte berechtigt, eine dauerhafte Ordnung im Reich auch ohne Befragung der Reichsstände vorzunehmen. Am Schluss zog Thugut ein Fazit seiner Überlegungen: Das Reich muß sich mithin alles gefallen lassen, was diese beiden Höfe Österreich und Preußen, wenn auch zum Nachteil eines oder des anderen individuellen Standes, über die Erhaltung eines oder des anderen bestimmen werden und könnten allenfalls hierzu gezwungen werden. Was Thugut nicht weiter thematisierte, sprach man in Berlin deutlicher aus. Dort wurden zur selben Zeit Überlegungen angestellt, ob man diesen Krieg nicht dazu benutzen könne, um die treueste Klientel des Kaisers, die geistlichen Fürsten abzuschaffen. Auf dieser merkwürdigen, nur im Reich anzutreffenden Einrichtung beruhte ja auf dem Reichstag in Regensburg die katholische Mehrheit im Kurfürstenkollegium und im Fürstenrat, die den kaiserlichen Einfluss in den beiden wichtigsten Gremien verbürgte. Trotz großer Anstrengungen des Reiches konnte Frankreich nicht bezwungen werden. 1795 schied Preußen aus dem Krieg aus. Im Frieden von Basel trat Preußen das linke Rheinufer an Frankreich ab. Die dort geschädigten Reichsstände sollten entschädigt werden. Zum ersten Mal war offiziell von der Säkularisation der geistlichen Fürsten und der reichsunmittelbaren Klöster als Entschädigung für die Verluste die Rede, die die Fürsten auf dem linken Rheinufer erlitten hatten. In einem Flugschriftenkrieg wurden die Vor- und Nachteile einer solchen Maßnahme erörtert17. Bezeichnend für diese Diskussion war, dass die Verteidiger der geistlichen Fürsten nicht deren Wert diskutierten, sondern davon sprachen, dass die Säkularisation gleichbedeutend mit der Zerstörung der Reichsverfassung sei. Vielleicht, dass ein rascher Friede, wie er 1795 in greifbare Nähe gerückt schien, die Säkularisation verhindert hätte. Im Frieden von Campo Fornio (12. Oktober 1797) ließ sich Österreich von Frankreich die Säkularisation des Erzbistums Salzburg Zusagen. Auch willigte Österreich in die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich ein. Thugut hielt beides geheim, was die Stellung des Kaisers auf dem Friedenskongress von Rastatt 1798/99 schwierig machte. Der Friedenskongress beschloss am 4. April 1798 den Grundsatz, dass die am linken Rheinufer von territorialen Verlusten betroffenen Fürsten durch Säkularisationen .entschädigt werden sollten. Dieser Grundsatz konnte auch durch die Fortsetzung des Krieges 1799-1801 nicht rückgängig gemacht werden. Im Frieden von Luneville (9. Februar 1801) wurde das Prinzip der Entschädigung 16 Denkschrift Thuguts über die österreichische Politik, undatiert Anfang 1783, veröff. ebenda, S. 249-255, das Zitat S. 253. 17 Zu diesem Flugschriftenkrieg vgl. Wende, Peter: Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung im Urteil der zeitgenössischen Publizistik, Lübeck-Hamburg 1966, S. 61-93. 24