Österreich und das Heilige Römische Reich
INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648
Reichspolitik und österreichische Interessen. „Wie sollte eine Politik beschaffen sein“, heißt es da die einerseits der hiesigen Monarchie bei ihren damaligen Umständen keinen allzu beschwerlichen Aufwand verursacht und andererseits die kaiserliche Autorität so erhebt, daß die Stände die unumgängliche Notwendigkeit zu ihrer Selbsterhaltung einsehen.12 13 14 Während Colloredo sehr ins Detail ging und die besondere Reform des Justizwesens im Reich anmahnte, ging Kaunitz vom Primat der österreichischen Interessen vor denen des Reiches aus: „Der Endzweck der kaiserlichen Regierung“11, schrieb er, „ist Wohlfahrt des gesamten Reiches und die Vereinbarung dieser Wohlfahrt mit jener des durchlauchtigsten Erzhauses selbst.“ Mit der ihm eigenen Impulsivität nahm Joseph die Vorschläge auf und stürzte sich auf eine Reform der Reichsjustiz. Als erstes nahm er sich den Reichshofrat vor, dessen Tätigkeit er steigern konnte. Schon bei diesen Bemühungen war er auf den harten Widerstand des Corpus evangelicorum gestoßen, das dem Reichshofrat die Kompetenz in Religionsstreitigkeiten nehmen wollte. Hier setzte sich der Kaiser durch. Die Schwierigkeiten bei der Reform des Reichshofrats waren aber nur ein Vorspiel zu dem, was Joseph bei der Reichskammergerichtsvisitation erleben sollte. Das Reichskammergericht wurde von den Reichsständen über die von den Reichskreisen erhobenen Kammerzieler finanziert. Eine Reichskammergerichtsvisitation musste daher vom Kaiser in Zusammenarbeit mit dem Reichstag durchgeführt werden. Als Joseph II. die Reichskammergerichtsvisitationen 1766 dem Reichstag ankündigte, waren wegen des schleppenden Eingangs der Kammerzieler an Stelle der 27 vorgesehenen Richter nur 17 tätig. Auch ging das Gerücht von der Bestechlichkeit einiger Richter um. In einem aufreibenden Kampf mit dem alle Beschlüsse hemmenden Corpus evangelicorum setzte der Kaiser durch, dass künftig die Zahlungen so eingingen, dass 27 Richter bezahlt werden konnten. Die drei korrupten Richter wurden abgesetzt'4. Insofern war die Visitation ein Erfolg, da das Kammergericht in der letzten Phase des Reiches wie nie zuvor tätig war. Joseph II. war aber nach zehnjährigem Kampf mit dem Corpus 12 Denkschrift Josephs II., HHStA Wien, Reichskanzlei Vorträge la, veröff. in: Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Joseph Metsch, Kaiserlicher Obersthofmeister 1742-1776, hrsg. von Rudolf Graf Khevenhüller-Metsch und Hanns Schütter, Band 7, 1764-1767, Wien 1917, S. 479-482. 13 Vgl. ebenda S. 502-518. 14 Zu den Vorgängen bei der Reichskammergerichtsvisitation vgl. meine Darstellung, Altes Reich 1648-1806, Band 3, S. 135-159. Sie stützt sich auf He tt f 1 e i s c h , B.: Politische Geschichte der Reichskammergerichtsvisitation unter Joseph II., Dissertation Wien 1929. Das Verfahren, des wegen Bestechlichkeit abgesetzten Assessors des Burgundischen Kreises, Johann Hermann Frhr. v. Papius, schildert Jahns, Sigrid: Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichtes im Alten Reich. Teil II Biographien, Band 1, 2003, S. 585 ff. Dort auch die Verfahren der beiden anderen entlassenen Richter Christian Frhr, v. Nettelbladt, ebenda Band 2, S. 1 207 f und Philipp Heinrich Frhr. v. Reuss, ebenda Band 1, S. 245 f. 22