Österreich und das Heilige Römische Reich

INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648

jedoch zum ersten Mal verpflichtet, die ihrem Land in Reichs- und Kreisangelegenheiten verfassungsmäßig erwachsenen Belastungen mit zu tragen. Was die Kosten für die Landesverteidigung betraf, wurde im § 180 des Reichsabschieds den Landständen auferlegt, für den Unterhalt der Landesfestungen und Garnisonen, „einen beihilflichen Beitrag“ zu leisten. Das war wieder einer jener unklaren Bestimmungen, wie sie auch im Text des Westfälischen Friedens mehrfach zu finden waren, und natürlich einen heftigen Streit über die Auslegung auslösten. Im so genannten Reichsabschied waren die Ergebnisse des Reichstages in schriftlicher Form zusammengefasst und wurden damit Reichsgesetz. In der Wahlkapitulation für Leopold I. von 1658 setzten die Kurfürsten Bestimmungen durch, die den Landständen erhebliche Beschränkungen auferlegten. Ohne Genehmigung des Landesherren durften sie keine Versammlung abhalten. Sie durften nicht von sich aus die Höhe der Steuern bestimmen, und sie durften nicht am Reichshofrat gegen ihren Landesherren klagen. Seit 1663 tagte der Reichstag in Regensburg als Gesandtenkongress ständig. Auf diesem Reichstag brachte Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern einen Entwurf eines Reichsgesetzes ein, das die Landstände verpflichtete, die gesamten Kosten der von den Fürsten unterhaltenen Armeen zu übernehmen. Der Antrag fand im Reichstag eine breite Mehrheit. Die Forderung war berechtigt, denn das Recht, mit auswärtigen Mächten Bündnisse abzuschließen, hatte ja nur Sinn, wenn die Fürsten über eigene Truppen verfügten. Kaiser Leopold I. weigerte sich jedoch, den vollen Wortlaut des Gesetzes zu ratifizieren. Ein Gutachten des Reichshofrates hatte ihn gewarnt, dass bei In- Kraft- treten des Gesetzes die Fürsten die Kosten ihrer Armeen so hochtreiben würden, dass die Landstände daran zugrunde gehen würden. Der Kaiser ratifizierte daher nur jenen Teil des Reichstagsbeschlusses, der die Landstände verpflichtete, den Unterhalt der zur Reichsverteidigung notwendigen Truppen zu übernehmen. Das war eine kluge Lösung, die nur den Nachteil hatte, dass die zur Reichsverteidigung notwendigen Mittel nicht näher fixiert wurden. Zwar gab es eine Matrikel aus dem Jahre 1521. Aber die hier festgehaltenen Werte und Angaben waren längst überholt. Die Kurfürsten und Fürsten, die den Beschluss des Reichstages getragen hatten, waren über das Verhalten des Kaisers so empört, dass sie einen Bund gründeten, der den Kaiser zwingen sollte, das Gesetz doch mit vollständigem Wortlaut zu ratifizieren. Sie wollten bis dahin alle kaiserlichen Geldforderungen am Reichstag ablehnen. Das war eine ernste Warnung, denn das Reich wurde in dieser Zeit von Ludwig XIV. und den Türken bedroht. Aber Leopold blieb hart. Er ließ sich wegen der Ratifizierung des Reichsgesetzes in keine Verhandlungen ein. Wohl aber begann er 1680 Gespräche über eine Reichskriegsverfassung. Die Fürsten größerer Länder, die so genannten Armierten, boten eine Reichsarmee an, die aus ihren eigenen Armeen gebildet werden sollte. Die kleineren Territorien, die mindermächtigen Reichsfürsten, 11

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