Prékopa Ágnes (szerk.): Ars Decorativa 32. (Budapest, 2018)

György NÉMETH: Die Briefladen von Sámuel Bíró von Homoródszentmárton und Klára Dániel von Vargyas. Zwei Kabinettschränke mit besonderem Aufbau aus dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts

erstaunlich ist. Abraham und David Roent­gen haben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gerne an ihren Möbeln solche an den Ecken klappbaren, schubla­denartigen Kästen verwendet. Diese gehen auch bei den Roentgen-Möbeln wahr­scheinlich auf die Reiseapotheken zurück. Ein Ziel meines Beitrags ist, die Erforscher der europäischen Möbelgeschichte auf wei­tere Forschungsansätze aufmerksam zu machen, mit deren Hilfe sie sich der An­wendung der oben beschriebenen Einrich­tung an unterschiedlichen Möbeltypen widmen.22 Den Lesern meines Beitrages mag auf­fallen, wie vielfältig die Bezeichnungen für die Möbelstücke von Sámuel Bíró von Ho- moródszentmárton und Klára Daniel von Vargyas in den verschiedenen Quellen ist: „Kabinettschrank (Tischschrank)”, „Schreibkabinettschrank”, „Brieflade“, „Schatztruhe” usw. Wenn wir auch die Bezeichnung „Prunkschrank mit ver­steckten Fächern” (ung. „díszes rejté- kes szekrény”)23 heranziehen, die aus ei­ner Beschreibung des gelehrten Kustos des Sekler Nationalmuseums, Géza Nagy, aus dem Jahre 1891 stammt, und auch beach­ten, dass im Eingangsinventar des Muse­ums von 1879 das Kunstobjekt als „Prunk­schrank der Familie Daniel“24 eingetra­gen wurde, wird deutlich, dass in unter­schiedlichen Epochen immer andere Funk­tionen bzw. Charakteristika bei deren Be­nennung in den Vordergrund gestellt wur­den. Interessant ist der Eintrag von János Herepei, der in einem maschinengeschrie­benen Transportkistenverzeichnis zu lesen ist. Hier ist die Bezeichnung „aufklappba­re Brieflade (sic!)“ zu finden.25 Diese Be­zeichnung macht es nötig, den Funktionie­rungsmechanismus des Möbelstückes ge­nauer zu analysieren. Der Hersteller hat einen Möbeltyp geschaffen, der auf dem Prinzip der Verwandelbarkeit be­ruht und mit Hilfe von bewegbaren Be­standteilen funktioniert, und der ein zu einem Kabinettschrank umfunktio- nierbarer Kasten sowie ein zum Kas­ten zusammenklappbarer Kabinett­schrank ist, wobei seine Schreib­schrankfunktion durch seine auszieh­bare Schreibplatte gewährleistet ist. (Abb. 11.-13.) Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhun­derts arbeiteten die Tischler - abgesehen von den privilegierten Meistern an den herrschaftlichen Höfen - streng innerhalb der Zünfte.26 Die Tischlerzünfte haben mit ihren strengen Regelungen die Verbreitung von neueren Möbeltypen eher behindert als vorangetrieben.27 Die Entwerferidee, die sich in unserem Möbeltyp offen­bart, enthüllt meines Erachtens bereits jenen revolutionierenden Gedanken, der sich dank den weltberühmten Ebe- nisten28 erst in den späteren Jahrzehn­ten des 18. Jahrhunderts im europäi­schen Möbelbau vollzog und in jener Zeit zur Herstellung der äußerst popu­lären (multifunktionalen) Verwand­lungsmöbel führte. Abraham und David Roentgen, bzw. die Ebenisten in Frank­reich, Jean-Franşois Oeben und Jean-Hen­ri Riesener, haben ihre speziellen Kenntnis­se bezüglich der Konstruktion und der Be­wegungsmechanismen zum Zweck des Funktionswandels eingesetzt. Ihre Möbel konnten mit speziellen Aufbaulösungen und eingebauten mechanischen Einrich­tungen zu verschiedenen Zwecken um­funktioniert werden.29 Im Falle der Brief­laden von Sámuel Bíró von Homoröd- szentmárton und Klára Daniel von Var­gyas geht es um Möbelstücke, die sich durch ihre bewegbaren Teile nur im 44

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