Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 26. (Budapest, 2008)

Piroska ÁCS: Nadeletuis in Form von Wickelkindern aus Porzellan

letzteren, also den Nadeletuis in Wickel­kindform, solche Exemplare, die unbedingt eine detaillierte Untersuchung verdienen. Die in der bildenden Kunst auftauchen­den frühen Säuglingsdarstellungen 1 zeugen von dem - aus heutiger Sicht vielleicht bar­barisch scheinenden - Wickelungsbrauch, der das Neugeborene an der Bewegung sei­ner Arme und Beine hinderte. Man verwen­dete dafür tatsächlich eng um den Körper des Kindes gewickelte Binden. 2 Das hatte einen doppelten Zweck: Einerseits gedachte man damit die bei der Geburt vorkom­menden Extremitätenverrenkungen zu heilen, andererseits versuchte man so - vor allem in kälterem Klima - den kleinen Körper vor Wärmeverlust zu schützen. Mit dieser Technik „eingepackte" Kinder hat auch schon die antike griechische Kunst gezeigt, z. B. bei der Darstellung einer der Säuglingsstreiche von Hermes. Der listige Gott der Diebe und Betrüger kletterte, nach­dem er seinem Halbbruder Apollo die fünf­zig schönsten Rinder gestohlen hatte, als unschuldiges Kleinkind in sein Bett zurück, um nicht Rechenschaft geben zu müssen. Seine fast in einer puppenhaften Hülle liegende Figur findet sich auf einem Tongefäß von Caere (Cerveteri). Diese Art von „Tortur" der Säuglinge ist auch später zu verfolgen. Im byzantinischen Kaiserreich übernahm man die Mode der Kinderwickelung von Rom: Den Körper des Babys bedeckten die Stoffstreifen zwar in unterschiedlicher Weise, aber immer fi­xierten sie die Arme am Körper. Auf Wand­gemälden byzantinischer Höhlenkirchen in Kleinasien sind mehrere Szenen der „Ge­burtjesu" aus der Zeit zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert zu sehen, auf denen das kleine Kind unbequem liegt. 3 Das „Geburt"­Motiv taucht in ganz Italien auf, sogar in mehreren Kunstgattungen.' Fast wie in einem Bilderroman lässt sich verfolgen, was in den Minuten nach der Geburt zu tun war, wenn wir drei etwa zeit­gleich gegen Ende des 15. Jahrhunderts ent­standene Gemälde nebeneinander betrach­ten. Der Schöpfer des ersten ist der „Meister der Legende von Apollo und Daphne", und das Bild zeigt die Geburt des hl. Johannes des Täufers. 5 Eine der sich um das Neu­geborene bemühenden Frauen reicht die Rolle mit dem zum Wickeln benötigten Stoffband ihrer Gefährtin. Das folgende Moment, also die genaue Technik des Wickeins, stellt der „Meister der Utten­heimer Tafel" auf dem Werk „Maria Geburt" dar. 6 Schließlich verewigt das gle­ichnamige Werk von Antonio Vivarini, wie der frisch gebadete und gewickelte Säugling der Mutter übergeben wird.' Auch die „Darstellung im Tempel" eignete sich dazu, den Säugling zu zeigen. Auf den Gemälden Mantegnas und Bellinis zu diesem Thema weisen zwei Momente auf das Alter des Kleinkindes hin: einmal das religiöse Geschehnis; 8 zum anderen die Art des Wickeins. 9 Dem Bild gewickelter Säuglinge begegnet man auch häufig auf den sog. „Wöch­nerinnen-Tabletts und -Gefäßen. Die Tab­letts aus Holz und die Majolikagefäße waren im Italien der Renaissance beliebte Geschenke für werdende oder für Mütter nach der Geburt bzw. zu dem Ereignis passende Gebrauchsgegenstände. Diese Tabletts und Schüsseln wurden meist von unterschiedlichen gemalten Szenen (even­tuell Darstellungen des Momentes der Geburt selbst) geziert, unter denen die im Zusammenhang mit der Kindsversorgung am naheliegendsten schienen. In der Sammlung des Kunstgewerbe­museums befindet sich die Wöchnerinnen­schüssel, auf deren Spiegel die um das Neugeborene beschäftigten Frauen gemalt sind (die Mutter ruht wahrscheinlich in dem

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