Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 26. (Budapest, 2008)
Piroska ÁCS: Nadeletuis in Form von Wickelkindern aus Porzellan
3. Wöchnerinnenschüssel mit Wickelszene. Casteldurante, 1525-30 verhängten Bett im Hintergrund). Die Körperhaltung der Frau, die den Säugling hält, auf dem Boden sitzt, die Beine vorstreckt und mit ihnen das Baby stützt, war die damalige typische Pose des Wickeins. 10 Ausgehend von den Wöchnerinnentabletts und -Schüsseln wird im Weiteren das Vorkommen des Themas als kunstgewerblicher Gegenstand verfolgt. Den Übergang zu den selbstständigen Wickelfiguren stellen die mit ihrer Amme dargestellten Säuglinge dar. Dazu gehört die FayenceFigurengruppe, die um 1600 Guilleaume Dupré mit dem Titel „La nourrice" geschaffen hat." Die allgemeine Beliebtheit des Themas beweist die 150 Jahre spätere englische Variante, die in der Form dem französischen Original entspricht und nur in der bemalten Dekoration anders ist. Eine bereits selbstständige Figur ist das auf individuelle Bestellung gefertigte Wickelkind von J. J. Kandier, über das er im Mai 1741 in sein Arbeitstagebuch schrieb: „Für Ihro Hoch Reichs Gräfl. Excellenz von Brühlin ein Windel Kind, fl Ellen lang, wie es in einem Bettchen liegt, in Thon pous(siert), welches Kind sehr mühsam angekleidet mit sauberen Kanten, Bandschleifen, Blumen und anderer Arbeit reichlich versehen." 12 Vom 18. Jahrhundert an finden sich immer häufiger Wickelfiguren, die heute als kunstgewerbliche Werke gelten können. Solche sind die holzgeschnitzten Honigkuchen- oder Brotbackformen, FayencePuddingformen, Porzellan-Pfeifenstopfer oder Petschafte, silbernen kleinen kirchlichen Votivgeschenke oder Weihnachtsbaumschmuck und nicht zuletzt die verschiedensten Etuis und Büchsen. Und obwohl diese vielfach auch eine tiefere Bedeutung hatten (auf das Jesuskind oder die Fruchtbarkeit hinwiesen), haben sie immer mehr ihre persönlichen Züge verloren und sind zu bloß die gefällige Form betonenden Luxus- oder täglichen Gebrauchsgegenständen geworden. Ein großer Teil der Behälter in Form von Wickelkindern - mit Ausnahme einiger Duftflakons - waren Nadeletuis. Sie wurden minutiös aus wertvollem Material, zumeist aus Porzellan, manchmal aus Edelstein gefertigt und waren beliebte Geschenke für werdende Mütter oder für Wöchnerinnen, denn zur Herstellung und Instandhaltung der Säuglingsausstattung wurde immer das entsprechende Nähzeug benötigt. In der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden sie sich im Warenangebot einer Reihe von europäischen Porzellanmanufakturen. Interessanterweise sind keine englischen oder französischen Exemplare erhalten und werden auch in den Werksdokumenten nicht erwähnt. Der Grund dafür kann sein, dass sich in diesen Ländern die Wickelbräuche seit Beginn des 18. Jahrhunderts langsam änderten. Die „Schnürung" der Säuglinge