Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 25. (Budapest, 2007)
Balázs SEMSEY: Ein Sekretär vom Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Darstellung von Antonio Canovas Wiener Maria-Christinen-Denkmal
liehen und ornamentalen Dekorationselementen, denen antikisierende Motive zugrundeliegen.21 Mit dem Fortschreiten der Trivialisierung, mit zunehmender zeitlicher und räumlicher Entfernung vom Original schwindet auch die Wahrscheinlichkeit, daß die unterschiedlichen Repliken über die schmückende Funktion hinaus noch weitere Bedeutung tragen. Im Gegensatz zu den nach Mustern bestellbaren und in beliebiger Zusammenstellung verwendbaren Messingbeschlägen setzt die Holzeinlage mit reicher Tuschmalerei Einzelanfertigung und mehr Bewußtheit voraus. Bekannt sind auch mit Mahagoniholz furnierte Biedermeier-Möbel mit Bronzebeschlägen, die mit Veduten Wiener Gebäude und Ansichten geschmückt sind, die ebenfalls nach Stichvorlagen ausgeführt wurden.22 Die zwischen 1820 und 1830 in Wien hergestellten Möbel widerspiegeln das Bestreben des Biedermeier, ähnlich den modischen Genrebildern, statt historischer und mythologischer Darstellungen Elemente des gewohnten alltäglichen Milieus zum Salonschmuck zu erheben. Die Städtebilder an Damenschreibtischen, Nähtischchen und Schmuckkästchen unterschieden sich aber nicht nur in ihrer Thematik von der Darstellung von Canovas Denkmal. Die gemalten Veduten zeigen zwar konkrete und topographisch bestimmbare Gebäude und Stadtteile, vermitteln aber kein nachdrückliches ikonogaphisches Programm wie die allegorischen Figuren des Denkmals an der Schreibplatte des Sekretärs. Andere Elemente der Dekoration des behandelten Möbelstückes entkräften ebenfalls die Annahme, daß das Christinenmonument in diesem Fall als eine Sehenswürdigkeit Wiens an das Möbelstück gekommen wäre. Ein Vergleich mit dem primären Kunstwerk ergibt, daß die Darstellung am Sekretär mehrere wesentliche Abweichungen vom Original aufweist, wodurch die Proportionen und Akzente der Komposition erhebliche Modifizierung erfuhren. Die monumentale Pyramide, die als Hintergrund für die Figuren dient, ist am originalen Denkmal aus hellem Marmor als die Figuren ausgeführt, hier ist sie aus Birnenholzeinlage gebildet, deren dunkelbrauner Ton sich von der rötlichen Farbe der Mahagonifurnierung des Schrankkörpers zwar deutlich unterscheidet, sich aber noch mehr von den menschlichen Figuren aus hellem Ahornholz abhebt. Ein hervorgehobenes Motiv des originalen Denkmals, der dunkle Grabeingang in der Mauer der Pyramide, löst sich hier völlig im dunklen Hintergrund auf, seine Konturen sind nur durch die Messingdraht-Einlage verstärkt, und über der Tür fehlt die auf Maria Christina und Albert verweisende Inschrift völlig, wodurch das Mittelfeld der Komposition auffallend leer wurde. Der ausführende Meister versuchte das gestörte Gleichgewicht durch eine Lünette mit geometrischem Dekor in Messingdraht-Einlage über der Tür herzustellen, die am Original nicht erscheint. Dies war wohl auch aus dem Grunde nötig, weil die Pyramide im Verhältnis zu den Figuren etwas größer ist als am Original, wodurch die Figuren, die das Porträt der Erzherzogin hochhalten, weiter entfernt von den Figuren des Trauerzuges unten zu stehen kamen. Obwohl die Malerei der Stirnseite im heutigen Zustand viel mehr abgewetzt ist als die Dekoration der Seitenwände, darf man wohl annehmen, daß vom Medaillonbildnis der Erzherzogin (das infolge der mangelhaften zeichnerischen Fähigkeiten des Tischler-Malers auch sonst ziemlich unscheinbar ausgefallen ist) die Umschrift auch ursprünglich völlig fehlte (am Denkmal steht die Umschrift MARIA CHRISTINA AVSTRIACA). Zieht man das Fehlen der auf 74