Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 25. (Budapest, 2007)

Balázs SEMSEY: Ein Sekretär vom Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Darstellung von Antonio Canovas Wiener Maria-Christinen-Denkmal

Auftrag hatte Herzog Albert von Sachsen- Teschen noch 1798, unmittelbar nach dem Tod seiner Gemahlin, an den namhaftesten Bildhauer der Zeit, Antonio Canova erteilt, der sich damals gerade in Wien aufhielt. Die originalen Entwürfe zum später emblema- tisch gewordenen Denkmal hatte Canova Jahre zuvor, für das Grabmal Tizians in der Frarikirche von Venedig erarbeitet (dieses Grabmal wurde später in anderer Form und nicht nach seinen Entwürfen ausgeführt). Als er den Auftrag von Herzog Albert annahm, lag der Plan der Komposition in großen Zügen bereits vor, und die späteren geringeren Modifikationen haben die Konzeption im wesentlichen nicht mehr verändert.6 Der Meister hat im Gegensatz zum traditionellen ikonographischen Schema der barocken Grabmäler nicht die Apotheose, sondern die Trauer in den Mittelpunkt gestellt und gestaltete statt alle­gorischer Figuren die Personen eines Trauerzuges, die in Richtung einer dunklen Türöffnung in der Wand einer Pyramide ziehen.7 Der Herzog fand zwar Gefallen an den ihm vorgelegten Entwürfen, schuf aber zum auszuführenden Monument ent­sprechend seiner konservativen Auffassung selbst ein allegorisches Programm.8 Wie­wohl die grundlegend unterschiedliche Interpretation desselben Kunstwerks seitens des Künstlers und des Auftraggebers geringe Reibungen verursachte, hat dies ihre Arbeits­beziehung nicht vereitelt. Laut Aussage eines Briefes an den Herzog, in dem Canova die beigelegten Entwürfe erläuterte, hat der Künstler das nachträglich formulierte Prog­ramm Alberts völlig akzeptiert.9 Nach der Interpretation von Herzog Albert verkörperte der Genius an der Spitze der Pyramide, der das Medaillonbildnis der Erzherzogin mit Hilfe eines Puttos hochhält, die Ewige Glückseligkeit, die Frauenfigur, die die Urne trägt, die Tugend und die junge Frau, die den in Lumpen ge­kleideten alten Bettler unterstützt, die höch­ste Tugend der Erzherzogin, die Wohl­tätigkeit (nach anderen Quellen Mildtätigkeit, Barmherzigkeit oder Nächstenliebe).10 Herzog Albert wünschte außerdem ihrer verstorbe­nen Gattin mit einer ausführlichen Inschrift zu gedenken, schließlich kam aber auf den Vorschlag Canovas hin nur die kurze Inskription vxori OPTIMAE / albertvs über dem Tor zu stehen. Der Herzog ließ aber bezüglich der Anbringung der Familien- wappen nicht nach, so placierte der Bild­hauer das Reichswappen der Habsburger hinter dem schlafenden Löwen rechts von der Türöffnung, und der daneben sitzende geflügelte Genius hält einen Rundschild mit dem Wappen Sachsens in der Linken.11 Noch im Jahr der Errichtung des Monu­ments erschien - in Rom französisch, in Wien deutsch - ein Buch von Egide-Charles- Joseph van de Vivere mit dessen ausführlicher Beschreibung.12 Der Verfasser des etwas weitschweifigen Werkes von etwa 150 Seiten Umfang war selbst Maler und Archäologe und zeitweise Direktor der Kunstakademie von Gent.13 Viveres Interpretation widerspie­gelt - obwohl er Canova persönlich gekannt haben mag - eher die Auffassung von Herzog Albert und erklärt das Programm des Denkmals als eine allegorische Komposition. Obwohl sich Canova dafür nicht begeisterte, wies er diese Interpretation auch nicht zurück, hat er doch das Erscheinen dieses Buches selbst angeregt.14 Beinahe gleichzeitig mit Viveres Buch ist in Wien im Verlag von Anton Strauß ein Heftchen unter den Titel Beschreibung des Denkmahles, welches in dergothi- schen Kirche der E. E. B. B. des Augustiner Barfüßer Ordens zu Wien Ihrer königl. Hoheit Erzherzogin Maria Christina, auf Befehl Sr. königl. Hoheit, Herzog Albert zu Sachsen-Teschen durch den berühmten Bildhauer Herrn Antonio Canova im Oktober 1805 errichtet worden ist 72

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