Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 24. (Budapest, 2006)

Orsolya BUBRYÁK: Inter arma silent Musae - „Geheimnisse" eines Brettspiels aus dem 17. Jahrhundert

Brettspiels aus interessant erscheinende Analo­gie. Es handelt sich hierbei um ein anderes mit Seiden- und Silberfäden besticktes Textilkunst­werk, um eine Standarte aus gelber Seide in der Sammlung des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe (Abb. 16). Die Standarte ist, wie es damals üblich war, mit dem Emblem und der Devise eines Feldherrn verziert. Die Attribu­ierung ist in diesem Fall eindeutig, denn auf der Rückseite der kleinen Fahne ist das Mono­gramm LBvBL eingestickt, woraus deutlich hervorgeht, dass der einstige Eigentümer der Standarte (und Devise) Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (1655-1707), auch der „Türkenlouis" genannt, einer der höchsten Führer der kaiserlichen Heere war. Die militärische Karriere des Markgrafen begann 1674, als er in die kaiserliche Armee eintrat, wo er kurze Zeit neben Raimondo Montecuccoli seinen Dienst verrichtete. Zwei Jahre später allerdings führte er bereits sein eigenes Infanterieregiment. Auch in der zum Entsatz nach Wien entsandten Armee trat er durch seine Kühnheit hervor, zu diesem Zeitpunkt wurde er zum General der Kavallerie ernannt. Es dauerte nicht lange und mit seiner Karriere ging es weiter aufwärts, seit 1686 ist er bereits im Rang eines Feld­marschalls unter den höchsten Führern der kaiserlichen Armee und seit 1689 Ober­befehlshaber an der osmanischen Front. Die Bezeichnung „Türkenlouis" erhielt er im Laufe der Türkenkriege seiner roten Kleidung wegen. Seinen größten Sieg errang er 1691 in der Schlacht von Szalánkemén (heute serb.: Slan­kamen) nach der er von Leopold I. zum Führer aller kaiserlichen Truppen ernannt wurde und den selten verliehenen Titel Generalleutnant erhielt. Später dann musste er die Angriffe der Franzosen am Rhein abwehren, darum über­nahm 1697 Prinz Eugen von Savoyen von ihm die führende Rolle des Feldherrn an der Ostfront. Auf dem Emblem der Standarte ist - wie auch auf dem einen Emblem des Brettspiels ­ein Adler, der einen Hirsch angreift, dargestellt. Die bildkünstlerische Quelle dieser Kompo­sition war vermutlich auch hier das Symbol gleichen Themas von Camerarius. Die gestickte Devise neben der Darstellung lautet: Ardua deturbans vis animosa quatit (Die kühne Kraft überwindet und bewältigt alle Schwierig­keiten), 42 ihre Interpretierung steht auf jeden Fall auch mit dem Text des Brettspiels im Einklang. Dort war ebenfalls die Rede davon, dass Verstand und Kraft (consilio et robore) alles, selbst den stärkeren Gegner besiegen können. Die kleine Standarte kann nicht nur an eine konkrete historische Person geknüpft werden, sondern auch mit annähernder Sicherheit datiert werden. Aus ihrer Form und ihren Maßen gelangten die sich bisher mit ihr befassenden Experten zu der Schlussfolgerung, dass Emblem und Devise die Fahne eines Kavallerieregiments verziert haben. Das konn­te während der militärischen Karriere des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden nur in einer Periode vorgekommen sein: zwischen 1683 und 1686. In Anbetracht dessen, dass die Anfertigung des Brettspiels - wie auch der Standarte - eng an die Zeit der türkischen Kriege geknüpft ist, kann unter Berücksichti­gung der Ähnlichkeit der beiden Gegenstände im künstlerischen Programm und in der Form­sprache dies auch für die Datierung des Brett­spiels richtungsweisend sein. Die Bestimmung des Anfertigungszeitpunktes in die 1680er Jahre wird auch noch durch die ähn­lich gestaltete Platte eines Prunkspieltisches, der gegenwärtig im Bayerischen Nationalmuseum aufbewahrt wird, unterstützt. 43 Obwohl sich das Material der Platte (Eichenholz, Schildpatt und graviertes Perlmutt) von dem des Brettspiels unterscheidet, ist doch das ikonographische Programm beider Stücke sehr ähnlich. An dem außerordentlich reich mit Ornamenten verzierten Rand sind Putten, Kriegstrophäen und Porträts von Heerführern, die gegen die Türken gekämpft haben, darunter an hervorge­hobener Stelle neben dem Bildnis Kaiser Leopolds I. ist das des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel (Abb. 17). Dieses Brettspiel kann zur Erinnerung an die 1683 bei Wien ausgetra­gene Schlacht am Kahlenberg angefertigt wor­den sein und ist wahrscheinlich ein Geschenk des Kaisers an seinen Schwiegersohn, dem

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