Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 21. (Budapest, 2002)

Györgyi NAGY: Textilmuster als Dekorationselemente an Flügelaltären des mittelalterlichen Ungarns

GYÖRGYI NAGY TEXTILMUSTER ALS DEKORATIONSELEMENTE AN FLÜGELALTÄREN DES MITTELALTERLICHEN UNGARNS Das Thema unserer Forschungen bilden bemerkenswerte Details der gotischen Flügel­altäre Ungarns, nämlich in unterschiedlichen Techniken - gemalt, graviert bzw. geritzt usw. ­vergegenwärtigte Textilmuster.* Die gemalten Textilien ergänzen auf eine glückliche Weise die fragmentarischen Bestände der Textil­sammlungen, dienen der Forschung der Trach­tengeschichte und des Interieurs mit wichtigen Angaben und verweisen auch auf Handels­beziehungen. Die Maler übernahmen die Muster von Tex­tilien, die ihnen zur Verfügung standen, aus der Malerei oder der Grafik ihrer Zeit. Während ihrer Wanderjahre verwendeten oder fertigten sie Musterbücher und Skizzenbücher und über­nahmen Motive aus der Praxis verschiedener Werkstätten. Einen wichtigen Bestandteil der Ausstattung einer Werkstatt bildeten die Scha­blonen, Lochpausen, Modelle, die längere Zeit in Gebrauch standen. Die Mustersammlung hat sich ständig erweitert, wurde entsprechend den neuen Textilien stetig aktualisiert. Die bezeich­nenden Musterformen oder beliebte und häufig verwendete Motive kommen in mehreren Vari­anten vor, lassen sich aber meistens auf ein gemeinsames Textilmuster zurückführen. Die erkannten Übereinstimmungen der Tex­tilmuster spielte auch in der kunstgeschichtli­chen Forschung eine Rolle. 1 Infolge des Bilder­sturms, der Kriege und des Kunsthandels wur­* Vorliegende Studie ist ein Kapitel aus einer Disserta­tion, die im Rahmen des PhD-Programms am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Loránd Eötvös erar­beitet wird. den zahlreiche Flügelaltäre zerlegt. Aufgrund des dargestellten Textilmusters konnten welt­weit zerstreute Details von Retabeln als zusam­mengehörig erkannt und "zusammengeführt" werden. Tafeln des Londoner Gnadenstuhlaltars sowie zwei Tafeln, eine Madonna und ein Step­hanus der Protomärtyrer, aus Schloß Rastenberg konnten aufgrund der Stoffmuster anläßlich der Wiener Ausstellung "Europäische Kunst um 1400" des Jahres 1962 "wiedervereinigt" wer­den. 2 Die Übereinstimmung gravierter Muster im Hintergrund von Tafelbildern, im Altar­schrein oder auf der Predella vermochte in meh­reren Fällen den stilistischen Werkstattzusam­menhang zu beweisen oder zu unterstützen. 3 Das Muster einer rot-goldenen italienischen Kasel vom Ende des 15. Jahrhunderts im Dom­schatz von Esztergom (Gran) 4 kommt in der Dekoration unserer Flügelaltäre seit Anfang 16. Jahrhunderts vor und bezeugt somit eine ziem­lich weite Verbreitung dieses Stoffes. Der Stoff der Kasel ist ein mit Goldfaden lancierter, beschnittener weinroter Samt. Aus dem reich gegliederten Prunkgefäß mit Fuß erwächst eine mit Goldfaden durchwobene, von Granatäpfeln umgebene Ananasfrucht, gerahmt durch eine Samtrosette. Dieses große Motiv ist längs des Gewebes in versetzten Rei­hen angebracht und mit verknüpften Ranken verbunden. Aus den Ranken erwachsen nach beiden Seiten mit Granatäpfeln besetzte Zwei­ge, die in einer Krone auslaufen. In den Prunk­schüsseln über den Kronen sitzen inmitten von schwertförmigen Blättern Granatäpfel. Die Zeichnung des Musters einer anderen, grünen Kasel auf Goldgrund derselben Schatzkammer 5

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