Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 6. (Budapest, 1979)
SZILÁGYI, András: Unbekannte Werke aus dem 16—17. Jahrhundert in der Sammlung für Kleinplastik
die einzigen Wandgemälde aus dem 16. Jahrhundert in Ungarn, die typologischen Darstellungen aufweisen, gerade in Brassó (Kronstadt, heute Brasov, Rumänien) entstanden. Diese Stadt war der Ausgangspunkt der Lutherischen Reformation in Siebenbürgen: hier wirkte Johann Honterus, der Ubertritt der siebenbürgischsächsischen Kirche zum Lutherischen Glauben knüpft sich an seinen Namen. 22 Es seien endlich die Wandgemälde aus 1543 der Burgkapelle zu Neuburg in Schwaben erwähnt. Darstellungen traditioneller Typologie und die des neuen, von Cranach beeinflussten Typs kommen hier zusammen vor; die Forschung betrachtet dieses Freskenzyklus als früheste Beispiel der inneren Dekorationen in protestantischen Kirchen. 23 Es lässt sich aber nicht behaupten, dass im 16. Jahrhundert die in der Kunust des Mittelalters wurzelnden, traditionellen typologischen Darstellungen ausschliesslich jene Kunstwerke kennzeichnen, die den Gedankenkreis der Reformation widerspiegeln. Einer solchen Behauptung widersprechen zahlreiche zeitgenössische Kunstwerke, die — im Geiste der sich neugestalteten katholischen Religiosität — auf Gebieten, die von der Reformation unberührt blieben, entstanden. Beispielsweise sei hier auf je ein Werk des Correggio und Battista Zelotti hingewiesen, auf welchen den typologischen Darstellungen eine akzentuiert Rolle erteilt wird. 2 ' 1 Auf den Deckengemälden der Bibliothek in der Abtei zu Praglia — die man dem B. Zelotti (um 1526—1578) zuschreibt — erscheinen die typologischen Bilder im ähnlichen Zusammenhang, wie auf den Bad-Aussee-er Fresken. Dieser Umstand weist darauf hin, dass im 16. Jahrhundert die traditionellen typologischen Darstellungen jene Rolle verlieren, die bis zum Spätmittelalter für sie kennzeichnend war; diese Kompositionen selbst zeigen keine Stellungnahme mehr in den kirchlichen, ideologischen Grundfragen der Zeit. Im Falle des Handsteins im Museum für Kunstgewerbe Budapest ist es auf Grund der beiden Darstellungen schwer zu entscheiden, ob sein Stifter ein Anhänger der Reformation war. Zur Frage der Angehörigkeit des Stifters zu einer oder anderer Konfession geben die beiden Szenen nur einen gewissen Anhaltspunkt. In dieser Hinsicht verdient die Anschrift ,,Veni vidi vici" über der Simson-Figur grössere Aufmerksamkeit. Simson wird hier durch diesen, dem Caesar zugeschriebenen Wahlspruch von altertümlichen Ursprung mit dem Held der klassischen Antiquität in Verwandtschaft gebracht. Das Vorkommen der Anschrift auf unserem Stück ist ausschliesslich durch diese Auffassung, und nicht durch Themenwahl der Darstellung, gerechtfertigt; die Szene stellt nämlich nicht den Kampf mit dem Löwen oder den Sieg über den Philisten dar. Die Gestalt aus dem Alten Testament erscheint also auf unserem Handstein in jener idealisierender Auffassung, die — wie es bereits erwähnt wurde — in erster Linie für die Kunstwerke kennzeichnend ist, die unter dem Einfluss der Reformation entstanden. Der Wahlspruch weist nicht bloss auf den die Philister besiegenden Simson, sondern zugleich auf den über den Tod triumphierenden Christus; so steht er auch mit der anderen Darstellung, d. h. mit der Auferstehungszene in Zusammenhang. Dieser Gedanke — der Sieg Christi über Tod und Teufel — wird in Luthers Schriften besonders betont, als Beispiel genügt es, wenn wir auf einen Teil seiner unter dem Titel „Christi Sieg, unser Sieg" erschienenen Rede hinweisen: „Neque alia via vincemus quam qua Christus vincit". 25 78