Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 4. (Budapest, 1976)
VADÁSZI, Erzsébet: Ungarische Kastentische
6. KASTENTLSCH AUF WANGENGESTELL, SI KEKXBËKCISCH, I'M 1500, UN( JA RISC! I ES NATIONALMUSEUM hauptsächlich in den Alpen- bzw. in den Karpatenländern wohlbekannten Verzierung. Die südtiroler Benennung Flachschnitzerei lässt ebenfalls darauf schliessen. Demgegenüber gehört es zur Charakteristik des nördlichen Kulturkreises (Frankreich, Spanien, England), dass das Material der Möbel in den meisten Fällen Eichenholz, und das meist verwendete Verzierungsmotiv das Faltwerk, die Papyrusrolle (serviette pliée) war. Unser Tisch ist also ein zum südlichen, genauer zum mitteleuropäischen Kulturkreis gehörendes, spezifisch ungarisches Möbelstück. Interessant daran ist, dass an den vier Aussenseiten der Scheinschubfächer und an den zwei Seiten des Wiegenteils die Schnitzerei verschieden ist (Abb. 2 — 5). Die selbe Eigenschaft besitzt der Kastentisch im Budapester Ungarischen Nationalmuseuni (Abb. 6.). Die Schnitzerei des Behälters- oder Wiegenteils ist auch bei diesem Stück schwungvoller, grosszügiger und genauer gearbeitet als am Zargenteil. Der untere Band der Wiege bei dem Tisch des Museums für Kunstgewerbe ist durch eine mit dem Motiv der Zarge verwandte Verzierung in Wellenlinien, die an spitzzulaufende Finger erinnern, abgeschlossen, gleichsam die Zusammengehörigkeit von Zarge und Wiege beweisend. Die Randleiste fehlt leider bei den Tisch des Nationalmuseums, sie wur f } e durch eine glatte Rahmenleiste ersetzt. Reicher ist die innere Ausgestaltung des Scheinschubfachs bei dem Tisch des Museums für Kunstgewerbe als bei dem andern im Nationalniuseum. Beim ersteren verraten blaue und rote Farbspuren, dass die an den an Schiessscharten oder an eine Mauerkrone erinnernden Vertiefungen früher bemalt waren (Abb. 7). Die in den roten Grund eingeschnittenen kleinen Baluster findet man an den Ärmstiitzen des Lehnstuhls wieder, der aus der Szegeder Franziskanerkirehe stammt und nach der Überlieferung das Eigentum Jakobs von Marchia gewesen sein soll 19 . Noch früher kamen sie auf einem Blatt des bereits erwähnten Ungarischen Anjou-Legendariums vor (der Kaiser verbannt Johannes auf die Insel Pathmos, wo er das Buch der Apokalypse schreibt).0 Siebenbürgische Kastentische finden sich auch im ehemaligen Nordungarn. Schöne Beispiele sind der Bártfaer (Bartfelder) Tisch im Ungarischen Nationalmuseum 21 , ein anderes im Kassaer (Kaschau, Kosice) Museum 22 und ein dritter im früheren Andrássy-Schloss von Betlér (Betliar). Um die Aufzählung zu vervollständigen sei noch der Kastentisch erwähnt, der sich früher im Rathaus von Nagyszeben (Hermannstadt, Sibiu) in Siebenbürgen befand und von den bekannten Tischen dieses Typs insofern abweicht, dass auf den beiden massiven Seitenbrettern im quadratischen Mittelfeld in gleicher Höhe mit dem Behälter (der Wiege) keine flache Ranke, sondern ein Blendmass14