Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)
KISS, Ákos: Die Entwicklung der kunstgewerblichen Bewegungen und das Entstehen der Kunstgewerbemuseen
auf die kunstgewerblichen Aufgaben des Zeitalters gelenkt. In der Tat, jetzt erst sind Zeit und Möglichkeit der Neorenaissance gekommen. In den 15. und 16. Jahrhunderten spielte Österreich in seiner damals bescheidenen künstlerischen Lage, als Land der anhaltenden Gotik, Ungarn gegenüber in der Renaissance kaum eine Rolle. Eitelberger ist der Meinung, dass diese über alles geschätzte italienische Formwelt, wenn auch mit einer Verspätung von mehreren Jahrhunderten hier, im Zeitalter der Entwicklung des Historismus zur Verwirklichung gelangen musste. Zur Überbrückung des historischen Zwischenraums sollten kunstgewerbliche Studien, das Fachschulwesen, die Muséologie diene; man wollte die Neorenaissance in Fleisch und Blut des österreichischer künstlerischen Lebens der frühen Franz-Joseph-Ära übertragen; der moderne Geist konnte am geeignetesten mit der Kunst der 15. und 16. Jahrhunderte zum Ausdruck gebracht werden! Auf Grund dieser aneifernden Anregungen begann die kunstgewerbliche Tätigkeit in erster Reihe mit der möglichst allseitigen Neuanwendung der meistgeschätzten italienischen Renaissanceformen. Angesichts der Durchschnittsprodukte künstlerischer Gewerben wurden aber bald auch massgebenden Kreisen Stimmen des Zweifels laut. Nach dem neuen Klassizismus der Jahrhundartmitte, dem „Neogriechisch", das für eine kurze Zeit die meisten Zierformen beherrschte, folgte die Wiener Renaissance als generelle Form der Habsburgländer, und den benachbarten Gebieten. Diese künstlerische Eroberung vollzog sich mit voller Bewusstheit und Schulung. Die Benennung „Album-Periode" verweist auf die Macht des starken Musterblattgeistes an der Schwelle des Historismus. :tu Schöpfer und Theoretiker des neuen griechischen Stils war — neben Th. Hansen auch Van der Null — die noch in den 60-er Jahren die Hellenisierung der ganzen gewerblichen Kunst anstrebte. Die damalige Ausstattung der Wiener Oper wurde zur Lehr- und Übungsschule der gewerblichen Künste. Während des ganzen Zeitraumes des Historismus war für die Verbreitung architektonischer Formen jener Umstand besonders vorteilhaft, dass die Architekten bei ihren grösseren Bauwerken auch hier Gruppen der Maler, Tischler und Schlosser bei der Ausführung der ihrerseits entworfenen Zubehörteile, sowie Ausrüstungsgegenstände unterrichteten. Diese Periode — von den 60-er Jahren an — brachte das Wiedererwachen der Schmiedekunst und auch weiterer, vorübergehend gleichfalls nicht geübten Zweige mit sich. Eine Reihe dieser Künste erlitten im Klassizismus einen derartigen Rückgang, dass z.B. die Silberschmiede die Wiederaufnahme der Bearbeitung des Eisens vollziehen mussten. Neben der Baukunst unterstützte von nun an auch die Pflege der Denkmäler die historisierenden Tendenzen. Das institutionelle Herbeirufen des Mittelalters, die Wartung der Denkmäler der Kunst dienten gleichfalls zur Wiederaufnahme längst vergessener künstlerischer Tätigkeiten. 111 Das Wiener Museum für Kunst und Industrie unternahm nebst seiner üblichen museologischen Aufgaben — dem englischen Vorbild entsprechend — die planmässige Vorbereitung des kunstgewerblichen Lebens, damit es den Ansprüchen der Zeiten entsprechen könne. J. von Falke begann in der Presse bereits ein halbes Jahrzehnt vor der Gründung des Museums seine agitatorische Tätigkeit. Die Bestrebungen der Periode gingen am 12. Mai 1864, mit der Eröffnung des Museums für Kunst und Industrie in Erfüllung. Dem Beispiel des Prinzen Albert folgend stellte sich Erzherzog Rainer an die Spitze der eifrigen Gründer. Einen ungarischen Magnaten, den Grafen Ödön Zichy finden wir auch im Kuratorium der Institution. Mit der Ausführung der Verzierungen des Säbels des Grafen Zichy er17