Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)

KISS, Ákos: Die Entwicklung der kunstgewerblichen Bewegungen und das Entstehen der Kunstgewerbemuseen

rateur" eingenommen, der mit Hilfe der aus der Vergangenheit entnommenen Formen sich bei der Innendekoration als Kunstarchitekt betätigte. Ein durchwegs vorhandener Charakterzug der gewerblichen Kunst dieser Zeiten blieb die Tätigkeit des Bau- und Ge­werbekünstlers, der im Verlaufe der Abstimmung verschiedener historischer Formen, oft auch den Entwurf von Zubehör und Einrichtungsgegenständen aus Holz, Metall, Textil, usw. unternahm. Diese Gewerbekünstlerei von stark architektonischem Geschmack und Konzeption wurde von den Vorkämpfern und Anhängern der kunstgewerblichen Reform und deren Praxis ziemlich stark kritisiert. Der Architekt soll dem Innendekorateur keine aus monumentalen Formen entworfene Ziermuster anbieten — pflegte man zu sagen. 111 Als zweite Stadt schuf Wien in 1864 ein Museum ähnlicher Natur; seltsamerweise wurde das Kunstgewerbemuseum Frankreichs erst nach einem Vierteljahrhundert, in 1887, ins Leben gerufen, später als das im Jahre 1872 in Budapest als drittes zustandegekommene Museum für Kunstgewerbe. Die Franzosen sahen der nach 1850 mit so hervorragendem Erfolg erwachten Konkurrenz des englischen Kunstgewerbes nicht passiv zu. Der riesige Erfolg der Ausstellung machte es den Franzosen sofort klar, dass ihre jahrhundertalte Pri­orität nunmehr arg gefährdet ist. Dabei wurde im Regierungsprogramm Napoleons III die fortlaufende Aufrechterhaltung des gallischen kulturellen Vorrangs besonders betont. Im dritten Viertel des Jahrhunderts wurden in Frankreich nacheinander kunstgewerbliche Fachschulen gegründet, nach Paris in Nizza, in Roubaix und in Limoges. Von diesen wur­de Nizza die Schule der kunstgewerblichen Innenbaukunst, in Roubaix wurde die alte Textilkultur und in Limoges die acht Jahrhundert alte Emailkunst zu neuem Leben er­weckt. Diese Fachschulen wurden von der Direction Générale des Beaux Arts unterstützt und ihnen die als modern geltenden künstlerischen Gesichtspunkte vermittelt. Die kunst­gewerblichen Beziehungen des netzwerks der Provinzmuseen — mit heutigen Ausdruck de­ren Fachkontrolle — wurde den Handelskammern übertragen, welcher Umstand besser als alles andere beweist, welche wirtschaftlichen Vorteile man von den somit konkurrenzfähig erscheinenden Kunstgewerben erwartete. Die Frage blieb im Laufe des ganzen Jahrhunderts im Bereich des gemeinsamen Interessekreises, eigentlich wurde während der Art Nouveau­Bewegung das selbe Interesse für das Kunstgewerbliche weiter vererbt. Der Wetteifer zwischen den französischen und englischen Kunstgewerben hielt in der Form von Handelsbilanzen, Preisausschreiben und sonstigen künstlerischen Wettbewerben wei­ter an. Prosper Mérimée wies in 1862 die französische Gesellschaft die Zuständigen und Künstlerwelt darauf hin, dass das künstlerische Gewerbe in ganz Europa erhebliche Fort­schritte aufweist, und dass Frankreich seinen Jahrhunderte alten Vorrang auch verlieren könnte. Diese drohende Aussicht hat die französische Gewerbekunst stets von neuem auf­gerüttelt, man überprüfte der Reihe nach jene Faktoren, die Entwicklung und Fortschritt herbeiführen könnten, die Preispolitik der Kunstgewerben mitinbegriffen. Tatsächlich hat an der Pariser Weltausstellung von 1867, als manche bereits dem englischen Kunstgewer­be die Vorherrschaft zudachten, Frankreich mit einem mächtigen Umfang seiner künstle­rischen Gewerbeprodukte alles bisherige übertroffen: gleichzeitig tauchte gerade hier die neue historisch-künstlerische Strömung der Epoche, die Neorenaissance auf. 1 '* Das Vor­urteil gegen die Renaissance wurde durch den traditionellen Stolz der gewerblichen Kunst der ,,Louis-Könige" gehindert, doch förderte derselbe die Neuanwendung der Formen der 17. und 18. Jahrhunderte, 1 "' obwohl der Barock vom 17. Jahrhundert ,.mit dem entstellten Geschmack" schon grundsätzlich verworfen war. 12

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