Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)
KISS, Ákos: Die Entwicklung der kunstgewerblichen Bewegungen und das Entstehen der Kunstgewerbemuseen
Das Orientalische, die Welt des Islam präsentieren an der Pariser Weltausstellung von 1878 nur noch die Kolonien; gemäss der allgemeinen Ansicht soll diese im Übrigen die Ausstellung von 1876 weitgehend übertroffen haben. Nebst Dominieren des Geschmacks der Renaissance konnte auch diese Periode die Formen der Louis, der Régence, nicht entbehren, besonders in jenen eigenartigen Branchen der Kunstgewerben (Porzellan, Spitzen) nicht, die ihre volle Entwicklung im Barock erlebten, oder überhaupt erst seither bekannt sind. In der Welt der französischen Zierkunst verwirklicht sich erst in den 1860-er Jahren jener Anspruch, wonach die Förderung der künstlerischen Gewerben eine im allgemeinen Interesse liegende Pflicht des Staates sei."' In England und Frankreich wurden die auf Tagesordnung gehaltenen Probleme des bewusster kunstgewerblichen Geschmacks zu einem auf das Bewusstsein von Nation und Gesellschaft weitgehend wirkender Faktor. Das aus den Formen der alten Zeiten entwickelte und nationale Eigentümlichkeiten spiegelnde zeitgenössische Kunstgewerbe bestimmt nun den kulturellen Rang der Länder Europas, und als Jakob von Falke fesstellt, dass England und Frankreich an der Spitze der Zivilisation Seite an Seite schritten, so ist diese Erklärung des Direktors des Wiener Museums für Kunst und Industrie so auszulegen, dass damit ihre, in der Reform Gewerbekunst erreichte Führung gemeint war. 1 ' Das Kunstgewerbe aber — so kann von nun an die in den Mittelpunkt neuer Bestrebungen gelangte Einheit der gewerblichen Künste genannt werden — entpuppt sich jetzt aus der Unbewusstheit der Zumpfthandwerker, und bemüht sich, im Rahmen der durch die neue Wissenschaft, die Kunstgeschichte bestimmten Grundsatzgrenzen, ihre Aufgaben gegenüber der Gesellschaft zu verwirklichen. Das Erwachen zum Bewusstsein und die gleichzeitige Beschränktheit waren die Kennzeichen des neuen Kunstgewerbes auch mit der Aufgabe die Repräsentationsbedürfnisse des in die Spuren des Zumpftbürgers getretenen Grossbürgers zu befriedigen, gleichzeitig aber auch die nationalen Gefühle und Bestrebungen der einzelnen Länder mit zu berücksichtigen. In einer die Kulturmissionen grundsätzlich und wissenschaftlich studierenden Periode trennen sich die Zweige der verschiedenen Künste voneinander, welcher Umstand jedoch im weiterem Verlauf der Rangierung der Kunstgewerben in der bürgerlichen Gesellschaft keinesfalls vorteilhaft war. 18 Die historisierende Zierkunst dieses Zeitalters wurde zu einer mächtigen Zusammenfassung aller bis dahin bekannten Stilelemente und Stilformen, die durch die Industrierevolution ermöglichte Produktivität brachte die erste grosse Periode der Prosperität mit sich. Der Grossbürger, Herr der Zeiten, erlernt von den wenigen Überlebenden der historischen Klassen die Lebensform, und ist bestrebt sowohl in seiner führenden Rolle in der Gesellschaft, als auch im Luxus seines Zeitvertreibs und Vergnügens sein erwachtes Selbstgefühl in der gleichen Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Diese plötzlich entstandenen Möglichkeiten, diese unerwartete, alles überschüttende Fülle ermöglichte nicht mehr die weitere Entwicklung harmonischer, organischer Stilbildungen. Dabei war man in der zeitgenössischen Zierkunst davon überzeugt, dass die Formsystheme der vergangenen Zeiten nicht gleichwertig seien; wertlosen, entarteten Perioden folgten „Hauptären", wie vor allem die frühe Gotik und die italienische Renaissance. Als sei die hellenistische Periode mit ihrer Vielfältigkeit noch schwelgender zurückgekehrt in eine alles zu wissen, zu erleben und zu geniessen wünschende Zeit, die keinen treueren Kundgeber finden könnte als Makart. Der Historismus brachte ihre künstlerischen Absichten mit besonderer Betonung in der 13