Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)

SZABOLCSI, Hedvig: Weisslackierter Chinoiserie Kabinettschrank

seiner Zarge finden wir auf drei Seiten verschiedene, nicht zueinandergehörende Motive: vorn Menschengestalten, kleine Gebäude mit Landschaftsdetails, einen Hahnenkampf, Blu­men; an den zwei Seiten sieht man zwischen blühenden Prunuszweigen eine dekorative Anordnung von Inrö und Schriften- oder Bilderrollen. Die Beine des Gestells und des Untergestell sind mit verschiedenen blühenden Blätterzweigen dekoriert. Die Fuss- und Kopfteile der Gestellbeine sind mit goldbemalten und ornamentalen Linien verziert. Hin­ter den geöffneten Türflügeln erblickt man die innere Dekorierung des Kabinettschran­kes in rotem Lack (Abb. 5). An den Innenseiten der Türen sieht man je eine Vase, die an ein archaisches chinesisches Bronzegefäss für zeremonielle Zwecke erinnert, reich mit blühenden Zweigen gefüllt, über denen kleine Vögel fliegen (Abb. 6). Am Rande der Türflügel sieht man ausser den Vasen wiederum blühende Zweige, Teilchen von Wolken­fetzen, die so aussehen, als ob sie abgeschnitten wären. Die Kanten der Trennungsleisten zwischen den Schubladen sind gewülbt und vergoldet. Die vier Schubfächerreihen sind wie folgt eingestellt: 1. Reihe: drei gleichgrosse Schub­fächer; 2. Reihe: zwei gleichgrosse Schubfächer; 3. Reihe: zwischen zwei gleichgrossen grösseren Fächern ist das dritte mittlere Fach horizontal in zwei kleinere Fächer ge­teilt; in der vierten untersten Reihe befindet sich ein breites Schubfach. Stark betont wird die reiche Verzierung des Kabinettschrankes durch die eng zur Kom­position der äusseren Erscheinung der Vorderseite gehörenden, vergoldeten, zisellierten, und emaillierten Beschläge, von denen fast ein jeder andere Pflanzen-, Tier- und archi­tektonische Motive aufweist. Die Beschläge bilden durch ihre zentrale und einrahmende Anordnung den Rahmen der äusseren Dekoration der Kabinettschrankes (Abb. 7). In der Sammlung der ungarischen Museen ist dieser Kabinettschrank ein einmaliges Kunst­werk. Bei der näheren Bestimmung des Ursprungsortes (des Ortes der Herstellung) könnte es einen gewissen Stützpunkt bedeuten, wenn man wüsste, woher das Möbelstück in die ungarische Sammlung gekommen ist, nachdem es ja keineswegs in Ungarn hergestellt sein konnte. Der Kabinettschrank kam nach dem zweiten Weltkrieg als eines der — viele Unbille durchgemachten — Schlossmöbel ins Museum für Kunstgewerbe. Es konnte nur soviel in Erfahrung gebracht werden, dass er wahrscheinlich zu der einstigen Einrichtung des Festetics-Schlosses in Keszthely gehörte. Im Schlossinventar aus dem 18. Jahrhun­dert des Archivs der Familie Festetics-' sind gewisse Spuren von ,,chinesischen" Möbeln zu finden. Die Benennung dieser ist aber so wortkarg gehalten, dass man daraus die Kunst­gattung der verschiedenen Möbel nicht feststellen kann. Es lässt sich vor allem daraus nicht erweisen, ob es sich um echte chinesische oder europäische Cinoiseriemöbel handelt. In diesen Inventaren findet man keine Benennung, die für einen Kabinettschrank zu­treffend wäre oder irgendeinen Hinweis zeigt, der mit unserem Kabinettschrank in Ver­bindung gebracht werden könnte. Soviel konnte jedoch festgestellt werden, dass er im 18. Jahrhundert nicht zur Einrichtung des Schlosses in Keszthely gehört hat. Es ist also anzunehmen, dass er zu einer späteren Zeit, vielleicht nach dem grossen Umbau 1883 mit der neuen Einrichtung ins Schloss gelangt ist. So können wir also für die Herkunft des Kabinettschrankes von hier keinen Ausgangspunkt bekommen. Bezüglich der Herkunft des Kabinettschrankes, seines Herstellungsortes kann also nur eine vergleichende Untersuchung der europäischen Analogien von Nutzen sein. Der hier gezeigte Kabinettschrank gehört höchstwahrscheinlich zu den Stücken der euro­päischen Chinoiserie aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Teilanalogien der ziem­103

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