Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LEHNER, Georg: Chinesisch für den auswärtigen Dienst: Zwei Dolmetsch-Eleven an der k. u. k. Gesandtschaft in Beijing in den Jahren 1897 bis 1900

Chinesisch fur den auswärtigen Dienst In der vorliegenden Studie wird die Geschichte der nach dem Vorbild anderer Ge­sandtschaften in China auch an der k. u. k. Vertretung in Beijing geschaffenen Ein­richtung von student interpreters bzw. Dolmetsch-Eleven5 6 anhand des der Ausbil­dung zugrunde liegenden Studienplanes und der regelmäßigen Berichterstattung über die Fortschritte der beiden jungen Beamten bei der Erlernung des Chinesischen dargestellt. Um den Wert dieser Sprachstudien ermessen zu können, soll auch ein kurzer Blick auf die Laufbahn der im Range von Konsularattachés nach Beijing zugeteilten „Seminaristen“ geworfen werden. Schließlich wird auch das 1906 im Zuge von Reformversuchen erwogene - doch schon lange vorher Realität geworde­ne - Ende dieser Einrichtung berücksichtigt. Am 8. Mai 1897 legte Freiherr von Czikann dem Ministerium des Äußern den „Vorschlag“ des k. u. k. Legationssekretärs Dr. Arthur von Rosthom7 „über die Art und Weise, wie der Unterricht der dieser k. u. k. Gesandtschaft zuge- theilten Seminaristen, der k. u. k. Consular-Attachés Herren Hugo Silvestri und Richard 5 Zur Ankunft Czikanns in Bejing vgl. Österreichisches Staatsarchiv Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv [HHStA], Politisches Archiv [PA], XXIX/5, Berichte aus Peking 1897 (Czikann an Goluchowski, Bericht N° 6/Politisch, Peking 1897 April 28.). 6 Nach der vom Hof in Beijing 1861 genehmigten Errichtung ausländischer Gesandtschaften in Beijing war die Überwindung der sprachlichen Barriere für den Verkehr mit den Qing-Behörden zur unabdingbaren Notwendigkeit geworden. Zur Tätigkeit des Chinese Secretary Office an der britischen Vertretung in Bei­jing vgl. Coates, P. D.: Documents in Chinese from the Chinese Secretary’s Office, British Legation, Peking, 1861-1939. In: Modem Asian Studies 17 (1983) S. 239-255 sowie Coates, P. D.: The China Consuls. British Consular Officiers, 1843-1943. Hongkong-Oxford-New York 1988, S. 337-362 („Management of the Service“), vor allem S. 351-353. - An der Gesandtschaft des Deutschen Reiches hatte es in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts „Dolmetsch-Eleven“ gegeben. Noch zu Beginn der neunziger Jahre wurden die ersten Absolventen des Seminars für Orientalische Sprachen in Berlin den deutschen Vertretungen in China als Dolmetsch-Eleven zugewiesen. Zur Ausbildung in Berlin vgl. Morgenroth, Wolfgang: Das Seminar für Orientalische Sprachen in der Wissenschaftstradition der Asien- und Afrikawissenschaften. In: asien, afrika, lateinamerika 16 (1988), S. 706-720. Zu den Chi- nesisch-Dolmetschem in Diensten des Deutschen Reiches vgl. Stichler, Hans-Christian: Chinesisch- Dolmetscher vor dem Ersten Weltkrieg. Anmerkungen zur Geschichte der deutschen Sinologie. In: asien, afrika, lateinamerika 19 (1991), S. 238-252. - Der niederländischen Gesandtschaft in Beijing war seit Juli 1896 ein „leerling-tolk“ (d. h. „Dolmetsch-Lehrling“) zugeteilt (vgl. dazu Staatsalmanak voor het Koninkrijk der Nederlanden 1 897. ‘s-Gravenhage-Utrecht 1896, S. 61); ein student interpreter an der niederländischen Gesandtschaft scheint auch noch in der in The China Year Book 1914. London 1914, S. 659 und S. 663-668 enthaltenen Übersicht über das Personal der ein­zelnen Gesandtschaften in Beijing auf. Ende 1913 gab es nach dieser Übersicht an der britischen Gesandt­schaft sieben, an der russischen Gesandtschaft fünf und an der Gesandtschaft der Vereinigten Staaten zwei student interpreters. Nach Feuerwerker, Albert: The Foreign Presence in China. In: Fairbank, John King (Hg.): The Cambridge History of China. Vol. 12, 1. Cambridge-London-New York. Reprint. 1989, S. 165 waren der US-Gesandtschaft 1913 neun student interpreters zugewiesen. Feuerwerker der ebenda, S. 164, Anm. 35 auf die sinologischen Fähigkeiten der russischen Konsularbeam­ten in China hinweist, betont, daß die in Beijing akkreditierten Gesandten - von wenigen Ausnahmen ab­gesehen - über keine Chinesisch-Kenntnisse verfügten. 7 Zu Rosthoms Laufbahn in österreichisch-ungarischen Diensten vgl. das J a h r b u c h des Auswärti­gen Dienstes 21 (1917), S. 102; zu seiner Biographie vgl. Unterrieder, Else: Arthur von Rost­hom - Diplomat, Wissenschaftler und Mittler zwischen Österreich und China. In: Zeitgeschichte 5 (1978), S. 221-246. - Eine frühe, von der Orientalischen Bibliographie verzeichnete, sonst jedoch unberücksich­tigt gebliebene, Würdigung seiner ersten sinologischen Studien verfaßte Legge, James: Von Rosthom’s Chinese Studies. In: The Academy. A Weekly Review of Literature, Science and Art. New Series. Vol. 49 (1896), S. 242 (N° 1246, 21. 3. 1896). 109

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