Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LEHNER, Georg: Chinesisch für den auswärtigen Dienst: Zwei Dolmetsch-Eleven an der k. u. k. Gesandtschaft in Beijing in den Jahren 1897 bis 1900

Georg Lehner Natiesta, zum Zwecke der gründlichen Erlernung der chinesischen Umgangs- und Schriftsprache, eingerichtet werden soll“ vor8. Dieser von Rosthorn mit 30. April 1897 datierte Studienplan folgte im we­sentlichen den im Erlaß des Ministeriums des Äußern vom 22. Januar 1897 formu­lierten Richtlinien. In erster Linie sollten die „Seminaristen“ die chinesische Sprache in Wort und Schrift gründlich erlernen. Daneben sollte auch auf den Erwerb von Landes- und Sachkenntnissen Wert gelegt werden, die sowohl für den Dol­metschdienst an der k. u. k. Gesandtschaft als auch für die Ausübung konsularischer Funktionen in einem der dem Handel geöffneten Häfen Chinas von großem Nutzen sein sollten. Bei der Erstellung des Studienplanes ging Rosthorn daher von folgen­dem Grundsatz aus: „Während in der letzteren Hinsicht der Umfang der Studien nicht weit genug gezogen werden kann, die Auffindung und Nutzbarmachung der Quellen aber dem Interesse und der Befähigung des Einzelnen überlassen bleiben muss, empfiehlt es sich für die Erler­nung der Sprache gewisse Bahnen vorzuzeichnen“, die „innerhalb eines begrenzten Zeitraumes“ zu einem genauer definierbaren Ziel führen sollten. Als Vorbild für die Einteilung der Sprachstudien dienten Rosthorn die an den Ge­sandtschaften sowie bei der Zentrale der Imperial Maritime Customs in Beijing schon seit längerer Zeit bestehende Einrichtung von Sprachkursen für angehende Beamte in China9. Dementsprechend setzte Rosthorn die Dauer des Kurses, der dazu dienen sollte, den an einen Dolmetsch zu stellenden Mindestanforderungen gerecht zu werden, auf drei Jahre fest. Der Kurs sollte in zwei Teile zerfallen, „welche inhaltlich verschie­den sind und successive absolviert werden müssen“: Zunächst sollten sich die „Seminaristen“ vier Semester lang in Beijing der Erler­nung der Umgangssprache widmen. Ab dem dritten Semester sollte mit der Erler­nung des amtlichen Korrespondenzstils begonnen werden. Der letzte Jahrgang (fünftes und sechstes Semester) sollte ausschließlich dem Studium der Schriftsprache gewidmet sein und konnte „eventuell auch an einem Consulate oder sonstigen Posten nachgetragen werden“. Abgesehen von der letzten Phase dieses Chinesisch-Studiums sollte der Unterricht durch chinesische Lehrer und Korrepetitoren erteilt werden: „Der Unterricht in der Umgangssprache wird an der Hand gewisser Hilfsbücher von chinesischen Lehrern oder Correpetitoren besorgt. Die Verwendung einheimischer Lehrer ist behufs Aneignung einer correcten Aussprache unerlässlich. Der Antheil des europäi­schen Beamten besteht zunächst nur darin, das Ausmasz des von Tag zu Tag und Monat zu Monat zu bewältigenden Lehrstoffes zu bestimmen und periodische Prüfungen abzu­halten.“ 8 HHStA, Gesandtschaftsarchiv Peking (in Hinkunft: GA Peking), Karton 77 (Czikann an Ministerium des Äußern [in Hinkunft: MdÄ], N° X, Peking 1897 Mai 8.). 9 HHStA, GA Peking, Karton 77 (Arthur von Rosthom, Studienplan für die Dolmetsch-Eleven bei der k. u. k. Gesandtschaft in Peking, Peking 1897 April 30. - Beilage zu Czikann an MdÄ, N° X, Peking 1897 Mai 8.). - Zur Chinesisch-Ausbildung bei den Chinese Imperial Maritime Customs vgl. die Bemer­kungen bei Feuerwerker: Foreign Presence, S. 185 f. 110

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