Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46. (1998)

LEHNER, Georg: Chinesisch für den auswärtigen Dienst: Zwei Dolmetsch-Eleven an der k. u. k. Gesandtschaft in Beijing in den Jahren 1897 bis 1900

Georg Lehner Im Budgetvoranschlag des Ministeriums des Äußern für das Jahr 1897 wurde un­ter anderem festgestellt: „Die Creirung einer k. u. k. Gesandtschaft in Peking würde einen Betrag von 46 300 fl. pro Jahr in Anspruch nehmen, wovon 28 300 fl. auf den Gesandten, 4 500 fl. auf das Kanzleipauschale, 6 000 fl. auf einen Legationssecretär und 7 500 fl. auf drei Seminari­sten entfallen würden. Die letzteren, welche als Dolmetscheleven (student interpreters) je 2 500 fl. beziehen, würden nach dem Muster der in anderen Staaten ins Leben gerufenen Institutionen, den Dragomanatsdienst in Ostasien zu versehen haben, eventuell auch zu anderen Dienstesobliegenheiten herangezogen werden können“* 2. Am 22. Januar 1897 wurden der k. u. k. Gesandtschaft in Beijing zum ersten (und wie sich zeigen sollte zum einzigen) Mal zwei Absolventen der kurze Zeit später zur Konsularakademie reformierten Orientalischen Akademie als Dolmetsch-Eleven, die im amtlichen Schriftverkehr jedoch stets als „Seminaristen“ bezeichnet wurden3, zugewiesen. Diese Absolventen, der am 8. September 1871 geborene Hugo Silvestri und der am 28. Dezember 1872 geborene Richard Franz Karl Dionysius Natiesta, trafen gemeinsam mit dem im Dezember 1896 ernannten Gesandten, Moriz Frei­herrn Czikann von Wahlborn4, am 22. April 1897 in Beijing ein5. dem Generalkonsulate in Hongkong z. Dienstleistung zugetheilt, 1869 d. Leiter d. ostasiat. Expedition Contre-Admiral Freih. von Petz beigegeben; 10. IV. 70 - 30.1. 73 Dolmetsch-Eleve b. d. Generalkonsula­te in Shanghai; 31.1. 73 - 3. IV. 83 Kanzler-Dolmetsch dortselbst (später mit d. Titel eines Vize-Konsuls); 04. IV. 83 - 25. X. 84 Vize-Konsul; 26. X. 84 - 24. X. 95 Konsul; 25. X. 95 - 26. VII. 96 Generalkonsul II. CI.“ - Die Reform der Orientalischen Akademie zur Konsularakademie die mit Allerhöchster Ent­schließung vom 7. 7. 1898 genehmigt wurde, sah für den Konsulardienst in Ostasien „nach Maßgabe des Bedarfes eine spezielle Ausbildung (insbesondere in der chinesischen Sprache)“ vor (Österreichi­sches Staatswörterbuch. Handbuch des gesamten österreichischen öffentlichen Rechtes. Hrsg, von Emst Mischl er - Josef Ulbrich. Bd. 3. Wien 2., wesentl. umgearb. Aufl. 1907, S. 163). Zu den Punkten dieser Reform vgl. Pfusterschmid-Hardtenstein, Heinrich: Von der Orientalischen Akademie zur k. u. k. Konsularakademie. Eine maria-theresianische Institution und ihre Bedeutung für den Auswärtigen Dienst der österreichisch-ungarischen Monarchie. In: Wandruszka, Adam - Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen. Teilbd. 1. Wien 1989 (Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Bd. 6.1.), S. 122-195, hier S. 160-167. 2 Stenographische Sitzungs-Protocolle der Delegation des Reichsrathes. 32. Session Budapest 1896. Wien 1896, S. 47 (2. Sitzung am 16. Juni 1896). - Zu der bei den Gesandtschaften der übrigen Mächte in Bei­jing üblichen Chinesisch-Ausbildung vgl. unten Anm. 6. 3 Die Bezeichnung Eleve („Konsular-Eleve“) für Absolventen der Orientalischen Akademie hatte Joseph Haas schon Ende 1887 als ungeeignet zu verwerfen versucht. Vgl. dazu Lehner: Konsularvertretungen, 5. 185. 4 Moriz Freiherr Czikann von Wahlbom (* 23. 4. 1847 Wien; f 19. 4. 1909 Preßburg), seit 1870 in Dien­sten des k. u. k. Ministeriums des Äußern, zunächst an den Konsularvertretungen in Konstantinopel, Am­sterdam und Berlin, hatte zwischen 1890 und 1895 das Generalkonsulat in Moskau geleitet; mit 25. 10. 1895 war er-bei gleichzeitiger Ernennung zum österreichisch-ungarischen Delegierten bei der europäi­schen Donau-Kommission - zur Leitung des Konsulats in Galatz berufen worden. Generalkonsul I. Klasse seit 24. 9. 1896 wurde er mit Allerhöchster Entschließung vom 26. 12. 1896 zum außerordentlichen Ge­sandten und bevollmächtigten Minister in Beijing ernannt; am 27. 6. 1905 wurde er von seinem Posten in Beijing enthoben und zum k. u. k. Gesandten in Belgrad ernannt. Mit 19. 6. 1907 wurde er in den bleiben­den Ruhestand übernommen. - Vgl. Jahrbuch des k. u. k. Auswärtigen Dienstes 13 (1909), S.221, Wiener Zeitung, Nr. 89 (20.4.1909), S. 5; Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. Hrsg, von Anton Bettelheim. Bd. 14. Berlin 1912, Totenliste 1909, Sp. 17. 108

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