Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 22. 1982-1983 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1985)

Die Anjovinen in Mitteleuropa - Marosi Ernő: Die europäische Stellung der Kunst der Anjouzeit in Ungarn. p. 39–49.

anderen voraussetzt, während das zeitlich Ältere automa­tisch mit den Vorstellungen einer Priorität ja sogar einer Überlegenheit verknüpft erscheinen kann. Unsere Kennt­nisse über die kreativen Zentren europäischer Kunst­geschichte beruhen sich größtenteils auf Konventionen. Diejenige, die unter ihnen in einem Glanz der Priorität erscheinen, sind in der Regel im Westen gelegen. Die Nachteile der Drittrangigkeit werden von den hier in der Rede stehenden Nationalschulen der Kunstgeschichte dadurch bekämpft, daß sie ihre Beziehungen zu weit entfernten, dagegen jedoch „erstrangigen" Zentren nach­zuweisen suchen, um dadurch ihre Bedeutung zu behaupten. Diese Normativität ist von der Natur der stilkritischen Methode völlig fremd, sie wirkt jedoch kräftig im Wer­wischen der Spuren realer Zusammenhänge. Die Stilkritik wäre prinzipiell eben in der geographisch unmittelbar benachbarten Zone zur Entdeckung der Beziehungen geeignet. Diese Methode kann vor allem der Begrenzung stilistischer und — wie es sich aus unserer Stilauffassung erfolgt — letzten Endes kultureller Zonen grösserer land­schaftlicher Einheiten oder Länder dienen. Im diesem Sinne kann sie auch auf den Gegenstand unserer Unter­suchung, die Kunst Ungarns im 14. Jh. angewendet wer­den. Im Mangel anderer, besser bestimmbarer Knotenpunkte können drei Flächen der Untersuchung, am Anfang, gegen Mitte und im letzten Drittel des Jahrhunderts gewählt werden. Die Willkürlichkeit dieses Verfahrens kann die Tatsache einigermassen mildern, daß diese drei Scheideli­nien, die sich als Grenzen zwischen Generationen auch auffassen lassen, in einem Großteil der europäischen Kunstgeschichte eine reale Gültigkeit besitzen. In unserem Fall können vorläufig keine Beweise aus den inneren Eigenschaften der Entwicklung des künstlerischen Stils hervorgebracht werden, daher weist unser Versuch von vornherein den wunden Punkt auf, daß er auf äussere Tatsachen gegründet ist, indem die Grenzen in den Epochen um zwei Dynastiewechseln bzw. um einen Regierungs­wechsel liegen. Die Verhältnisse um 1300 lassen sich aller Wahrschein­lichkeit nach wohl durch diejenige charakterisieren, die seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. besser bekannt sind. Die Charakterzüge der zweiten Hälfte des 13. Jh. können jedoch im Mangel genauerer Kenntnisse für das künstle­rische Gesamtbild des früheren 14. Jh. allein mit einer hypothetischen Gültigkeit angenommen werden. Die grundlegende Eigentümlichkeit dieser Zeit bildete die organische Einfügung der Kunst Ungarns in eine mittel­europäische stilistische Region, die bis ins 14. Jh. von dem parallelen Verlauf der Erscheinungen der Spätromanik einerseits und der Hochgotik französischen Ursprungs andererseits gekennzeichnet war. Die romanischen Erscheinungen der Baukunst und der bauschmückenden Skulptur des 13. Jh. in Ungarn finden vor allem in Nachbarländern wie Niederösterreich, Böhmen und Mähren, sowie in sächsischen und bayrischen Gebieten ihre Verwandten. Daneben spielten — besonders im Norden des Landes — Beziehungen zu Schlesien und Kleinpolen ebenfalls eine bestimmende Rolle. In der zweiten Hälfte des 13. Jh. zeichnen sich die einzelnen Kunstlandschaften klar heraus: es gibt zwar weisse Flecken, selbständige Einheiten, wie die von Westungarn mit ihren ununterbrochenen Beziehungen zum benachbarten Nieder­österreich, diejenigen der Zips oder der Siebenbürger Sachsen, lassen sich jedoch klar erkennen. (Wagner —Rieger 1979, 118—119). Neben äusserst spärlichen Leistungen figürlicher Bildhauerkunst der Spätromanik, die erhaltenen Denkmäler der Wandmalerei, wie jene in der Abteikirche von Ják oder der „Giselakapelle" in Veszprém, führten zu einer Fragestellung, ob die Formenwelt der zweiten Hälfte des 13. Jh. von der der unmittelbaren mitteleuropäischen Nachbarschaft oder von einer italobyzantinischen Tradition bestimmt wurde. Die Kunsthistorikergeneration unserer Vorfahren war zu einer positiven Entscheidung dieser Frage geneigt, indem man unmittelbare italienische Ableitungen bevorzugte. Heute gilt für diesen spätroma­nischen Kreis eher ein byzantinischer Ursprung und eine italienische, vor allem venezianische Vermittlung als allgemein anerkannt. Für die Vertreter des „ZackenStils" in Ungarn können ebenso nur mittelbare italienische Beziehungen angenommen werden, als für ihre Parallel­erscheinungen in deutschen Ländern. (GEREVICH 1938, 221. ff.; M. TÓTH 1974, 72. ff.; Demus 1967, passim; Schmidt 1979, 90. ff.). Eine Erscheinung ebenfalls mitteleuropäischer Prägung bildet die allgemeine Verbreitung derjenigen Variante der Hochgotik, die in derselben Zeit von Burckhardt von Hall in Wimpfen „opus francigemm" genannt wurde. In der letzten Zeit wurde die Bedeutung der hochgotischen Bautätigkeit unter König Ottokar IL sowohl für Böhmen als auch für seine österreichische Länder mehrfach hervor­gehoben. In der ungarischen Forschung ist die Einsicht weniger bewußt geworden, daß ein Stil der Baukunst und der Baugliederung, der von Dienstbündeln mit naturali­sierendem Kapitellschmuck, vollentwickelten Rippen­wölbungen bzw. von Maßwerkfenstern gekennzeichnet wurde und am Ende der Regierungszeit Königs Béla IV. bzw. unter Stefan V. seinen Anfang nahm, eine wichtige Parallelerscheinung dazu bildet. Dieser Stil, den am Ende des 13. Jh. Denkmäler wie die Franziskanerkirche in Preßburg oder diejenige der Kaschauer Dominikaner noch vertraten, ist keineswegs ein Ergebnis der Versuchen der Hofkunst seit dem Ende des 12. Jh., den Zeiten Königs Béla III. und seiner Nachfolger, zu einer Aneignung der französischen Gotik. Diese Kunst ist eindeutig infolge mitteleuropäischer Stilwechseln entstanden, in denen eine Orientierung nach Pariser Vorbildern ihre Erscheinung fand. (CSEMEGI 1955, 82. ff.; Die letzte Zusammenfas­sung: ENTZ 1974, 6. ff.; Kuthan 1979; Schwarz 1979). Ähnlich verhält es sich auch mit den Denkmälern der Kleinkunst dieser Zeit. Hier spielt gewiß eine Werkstatt­Tradition byzantinischen Ursprungs des 12. Jh. eine Rolle: diejenige der Filigrantechnik. Die Frage nach dem Ursprung ihres neueren Stils, der von einem naturalisierendem Pfian­zenornament, der rankenähnlichen Stilisierung des Filigrans gekennzeichnet wird, kann als offen bezeichnet werden. Indem für die ungarischen Denkmäler vor allem Venedig und das Maasland in die Frage kommen, muß festgestellt werden, daß selbst diese beiden führenden Regionen der Kleinkunst des 13. Jh. keineswegs als voneinander unab­hängig betrachtet werden können. Die Stilerscheinung kann daher mit Recht als eine Parallelerscheinung zu den oben 41

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