Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 22. 1982-1983 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1985)

Die Anjovinen in Mitteleuropa - Marosi Ernő: Die europäische Stellung der Kunst der Anjouzeit in Ungarn. p. 39–49.

riodengrenzen in der Zeit um 1360 und im achten Jahr­zehnt des 15. Jh. gerechnet wird). Diese Beobachtung entspricht einer bereits vorher an­gedeuteten anderen, dementsprechend seit eben dieser Zeit unsere kunsthistorische Feststellungen durch zahlreichere Denkmäler unterstützt werden. Man erhält den Eindruck, als wenn die Denkmäler der früheren Epoche gleichsam durch Veränderungen vom Charakter eines Erdrutsches getilgt wären. Das gilt besonders für die Erhaltung der Werke der Baukunst bzw. der baugebundenen Skulptur und Wandmalerei, die im ungarischen Denkmälerbestand von vornherein eine besondere Wichtigkeit besitzen. Was jedoch seit dieser Zeit erbaut oder geschmückt wurde, blieb in der Regel bis zum Ausgang des Mittelalters und in glücklichem Fall bis heute, erhalten, weil es spätmittel­alterlichen Bedürfnissen entsprach^ 2 ) Von diesen Tatsachen läßt sich eine Schlußfolgerung ziehen, die in positiver Formulierung etwa folgendermassen lauten mag: in der Zeit zwischen 1360—1380 wurde der Gesamtcharakter der Kunst Ungarns des späteren Mittelalters begründet. Die zuerst in dieser Zeit in Geltung getretenen Normen bewahr­ten also ihren Einfluß für eine geographische Region und eine Gesellschaft während einer langen Zeit. Als man der Entwicklung folgt, die zu diesem Punkt geführt hat, findet man sich notwendigerweise mit Problemen der kunst­geographischen Stellung bzw. deren Wechseln gegenüber­gestellt. Es hängt nicht zuletzt von den als Grundlage gewählten Kriterien ab, wieweit das mittelalterliche Königreich Ungarn als eine klar umrissene Region, als eine kunst­geographische Einheit betrachtet werden kann. Früher oft angewandte, z. T. naturgeographisch oder durch Jahrhun­derte lange Tradition bedingte typologische Schemen, wie etwa gegensätzliche Begriffspaare von Mediterranem und Nördlichem, Morgenländischem und Abendländischem, erscheinen bestimmt als veraltet und wegen ihrer Grobe zu feineren Distinktionen kaum mehr brauchbar. Ebenso unbrauchbar sind ethnische Kriterien: insoweit sie mit sprachlichen Erscheinungen überhaupt in Zusammenhang gebracht werden können, spielen sie selbst für die Geschichte der Literatur der Zeit nur bedingt eine Rolle, ihre Anwen­dung auf künstlerische Phänomene läßt sich jedoch wesent­lich schwieriger begründen^ 3 ) Das mittelalterliche Ungarn und die Mehrzahl seiner mitteleuropäischen Nachbarn lassen darüberhinaus noch die Schwierigkeit erkennen, die durch ihre ethnische Mannigfaltigkeit entsteht. Die mittelalterlichen Staatsbildungen, die Institutionen der politischen und der kirchlichen Organisation bilden wohl Rahmen von realer Gültigkeit für unsere Untersuchungen, v) Eine grosse Lücke im ungarischen Denkmälerbestand ver­ursacht der totale Verlust der Kathedralbaukunst, in der aufgrund der spärlich erhaltenen Resten (besonders von Gliederungsstücken) wichtige gotische Entwicklungsphasen in Betracht kommen. Das übrige Material — meist Stadt­pfarrkirchen und dörfliche Bauten — hängt natürlich enger mit den günstigeren ökonomischen Verhältnissen im Spät­mittelalter zusammen. (3) Vgl. die Diskussion zwischen Gerevich (1932, 123) und Gerevich (1939; bzw. Hoffmann 1937) — Zur Kritik dieser Ansichten und zur Begründung der neueren Praxis der ungarischen Kuntsgeschichtsschreibung s. FÜLEP 1951; Fülep 1956. ihr tatsächlicher geographischer Wirkungskreis bedarf jedoch einer besonderen Beachtung. Allein im Falle des mittelalterlichen Ungarn kann der Zusammenhang unter dem Gebiet des Königreichs, den relativ ständigen Kron­ländern und den zeitweise eroberten bzw. den beanspruch­ten Territorien kaum einseitig beurteilt werden. Selbst die Auffassung des Landes als einer Einheit ist durch weitere historische Fragen beladen. Der Zentralcharakter und die Ausstrahlung aus dem Landeszentrum von gewissen kulturellen und künstlerischen Erscheinungen wird von unserer Forschung oft als selbverständlich selbst in Epochen angenommen, als selbst eine Zentralisierung im politischen Sinne unbekannt war. (Zur Beurteilung der Zentrali­sierungsbestreben des Staates grundlegend: MÁLYUSZ 1960, 5 ff.). Eine vorangehende und dadurch eine höchst ana­chronistische Bewußtheit voraussetzende kulturelle Zent­ralisation bedurfte daher einer besonderen Begründung. Es gibt Annahmen von zentralen Werkstätten mit einer landweitigen Ausstrahlung im Ungarn des IL, 12. und 13. Jh., in Epochen, die selbst ein politisches oder Regierungs­zentrum im Sinne der modernen Hauptstadt kaum gekannt haben. (Zur Annahme königlicher Werkstätten von zentra­ler Bedeutung s. etwa: Dercsényi 1943; Entz 1964). Das Problem hat für das 14. Jh. seine Gültigkeit keineswegs verloren, auch wenn damals in dieser Hinsicht ein wesent­licher Forschritt getan wurde. Es ist nicht die ungarische Kunstgeschichtsschreibung, sondern sind eher die Schulen nationaler Kunstgeschichte in Randgebieten des ehemaligen Ungarn seit dem ersten Weltkrieg gewesen, deren Interessen es entsprach, die relative Selbständigkeit der Kunstentwick­lung solcher Regionen zu betonen, wie etwa diejenige der Zipser und der Siebenbürger Sachsen oder einzelne Land­schaften der Slowakei. Zu diesem Bilde haben jedoch inten­sivere Forschungen, besonders der Archäologie und der Denkmalpflege, in den letzten Jahrzehnten wesentlich beigetragen. Sie haben bei der Umgrenzung selbständiger innerer Regionen geholfen, indem sie einerseits die über die heutigen Staatsgrenzen übergreifenden Beziehungen einzel­ner Randgebiete nachgewiesen, andererseits die Verschie­denheit weit voneinander entfernter Kunstlandschaften klar in Erscheinung gebracht haben. (Zu regionalen Schulen und ihrer Literatur: Marosi 1971). Die Kunstgeschichte unserer Zeit kennt eine einzige tatsächlich brauchbare Ausdrucksweise für die Kenn­zechnung von Verschiedenheiten, die in der Benennung des Stils nach seiner Herkunft besteht. Alle andere Annä­herungsweisen sind eher nivellierend: in ihnen wird das Gleichzeitige auf gemeinsamen Nenner gebracht. Die Stilkritik dagegen sucht nach Ausgangspunkten und schafft auf diese Weise chronologisch geordnete Reihen, denen in räumlicher Hinsicht geographische Abfolgen entsprechen. Deshalb erscheint sie als ein geeignetes Mittel der Andeutung kunstgeographischer Beziehungen. Ihre Verwendung hat freilich fürjedé nationale Kunstgeschichts­schreibung zur Folge, daß ein womöglich als einheitlich gewolltes und vorgestelltes kulturelles Gesamtbild in schwer zu folgende, jedenfalls aber „fremde" Tendenzen, Gefällen geteilt wird. Diese werden dann in der Fachsprache Beziehungen oder einseitiger sogar Einflüsse genannt. Dieser letztere Ausdruck wird um so beleidigender empfunden, als er eine einbahnige Richtung von einem Ort nach dem 40

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