Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 22. 1982-1983 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1985)

Die Anjovinen in Mitteleuropa - Engel Pál: Die Barone Ludwigs des Grossen, König von Ungarn. p. 11–19.

In der endgültigen, feierlichen Formulierung jeden könig­lichen Privilegs finden wir den Ausdruck, der Beschluß sei „nach dem Rat unserer Prälaten und Barone" (de consilio prelatorum et baronum nostrorum) getroffen worden; anschließend folgt, gleichsam eine Klausel, die stereotype Aufzählung der amtierenden Bischöfe und der wichtigsten weltlichen Würdenträger, die sog. Würdenreihe. Die Formel läßt auch durchblicken, daß die namentlich Genannten den königlichen Rat nur symbolisieren, aber nicht ausschöpfen; der Maßnahme pflichteten nicht nur sie bei, sondern alle die Würdenträger des Landes (et aliis quampluribus comitatus regni nostri tenentibus et honores) . Die Herrschaft über das Land wurde also vom König und seinem Rat gemeinsam ausgeübt. Niemand anderer — außer der Königin — hatte bei den Entscheidungen ein Mitspracherecht. Es sei hier eigens betont, daß auch die Adelsgesellschaft in keinerlei organisierter Form an der Staatslenkung beteiligt war. Ein „Reichstag", d.h. die Einberufung des Adels, fand unter Ludwig d. Gr. nur ein einziges Mal, im Jahre 1351, statt, denn sonst hielten es Ludwig und seine Würdenträger offensichtlich nicht für notwendig, den gesamten Adel um seine Meinung zu ihren Beschlüssen zu bitten. Bekanntlich blieb der Reichstag bis zu den 1430er Jahren ein ganz seltenes Ereignis, welches eher aus Krisensituationen denn aus der Regierungsroutine folgte. Unter Ludwig war jedenfalls die Macht unbestritten in den Händen des Königs, der Kirchenfürsten und der Barone konzentriert. Der königliche Rat — um bei diesem üblichen Ausdruck zu bleiben — ist also nichts anderes als das Lenkungsorgan desAnjou-Staates, nämlich die Gemeinschaft jener Personen, die zusammen mit dem König die politischen Entscheidun­gen treffen, also die Verkörperung des Herrschaftssystems schlechthin. Infolgedessen ist die nachfolgende Untersu­chung der Zusammensetzung dieses Rates kein Problem der „Verfassungsgeschichte", sondern der politischen Geschichte. In der Beurteilung des Charakters des Anjou­Königreiches ist es von erstrangiger Bedeutung zu prüfen, wer zum königlichen Rat gehörte, mit anderen Worten, wer die Teilhaber, die Leiter und die Nutznießer dieses poli­tischen Systems waren. An dieser Stelle möchte ich die Untersuchung der Zusammensetzung des Rates auf die Kirchenfürsten nicht erstrecken, nicht als ob dieser Aspekt der Frage kein Studium erforderte, aber die Kirche ist eben doch ein relativ stabiles und daher besser bekanntes Element der ungarischen Gesellschaft. Wer in Ludwigs Urkunden unter „Prälaten" gemeint sind, können wir mit mehr oder weniger Gewißheit erraten: Offenbar sind es die Bischöfe und noch einige hohe Würdenträger der Kirche. Anders verhält sich die Lage mit der Bezeichnung barones: Ihre Interpretierung ist noch bei weitem nicht geklärt, und so wollen wir unsere Aufmerksamkeit an erster Stelle dieser Frage widmen. Die Zusammensetzung des königlichen Rates der Anjou­Zeit wurde bisher mit modernen Methoden noch nicht untersucht. Die Ansichten, die in dieser Frage heute sozusagen als allgemein verbreitet gelten, wurden vor etlichen Jahrzehnten formuliert und bestehen nicht die Probe einer Gegenüberstellung mit den Quellenangaben. Wir wollen nun sehen, um welche Ansichten es sich handelt und aus welchem Gesichtpunkt diese zu beanstan­den sind. Unsere Kenntnisse über den Königlichen Rat wurden bekanntlich zunächst ganz allgemein von Nándor К n a u z (1859) und dann ausführlicher von Bódog Schiller (1900) begründet. Es sei allerdings vorausgeschickt, daß dies noch zu einer Zeit geschah, da sich die ungarische Rechtsgeschichtsschreibung noch überhaupt nicht der Bedeutung bewußt war, die dem 15. Jahrhundert in bezug auf die Entwicklung der ungarischen Ständeverfassung zusteht. Damals herrschte noch die Meinung vor, daß die ständische Gesellschaft und Staatsorganisation Ungarns im Laufe des 13. Jh. im Großen und Ganzen ihre endgültige Form erreichten, woraus sich die praktische Konsequenz ergab, daß unter den Königen der sog. gemischten Dyna­stien das Institutionssystem keinen wesentlichen Verände­rungen ausgesetzt war und daher einheitlich behandelt werden kann oder gar soll. Schiller ging also still­schweigend von dieser Grundthese aus, als er die Struktur des königlichen Rates des 14.—15. Jh. unter die Lupe nahm. Er dachte gar nicht daran, die Institutionen des 14. und des 15. Jahrhunderts, der Anjou- bzw. der Hu­nyadi-Epoche, voneinander getrennt oder gar einander gegenübergestellt zu untersuchen. Er bemühte sich viel­mehr, seine Generalisierungen in einer für beide gültigen Form abzufassen, was zwangsläufig zu mehreren irrtüm­lichen Feststellungen führen mußte. Mit der einen, auf die man sich bis heute öfters beruft, müssen wir uns ausführlicher befassen, da sie mit dem Gegenstand der vorliegenden Arbeit, der Interpretation des Wortes barones, eng zusammenhängt. Schiller — wie vor ihm auch Knauz — vertrat die An­sicht, daß es unter den Königen der „gemischten Dyna­stien" zwei königliche Räte gab: nämlich ein „engeres", operatives Organ, welches die alltäglichen Aufgaben der Staatsführung erfüllte, und ein „weiteres", welches er mit der in den Quellen angeführten Versammlung der „Präla­ten und Barone" identifizierte und für die „eigenartigste Institution" jener Zeiten hielt. Dies wäre die Körper­schaft, von der schon bisher die Rede war. Schiller trachtete das Wesen dieses größeren Rates zu bestimmen; alles, was er an Hand eines reichhaltigen Quellenmaterials über die Funktion, die Befugnisse und die öffentlich­rechtliche Bedeutung dieser Körperschaft feststellte, ist im allgemeinen auch heute annehmbar, nicht so die Ansicht, die er in bezug auf die Struktur des Rates und die Art seiner Tätigkeit vertrat. Schiller meinte nämlich, wir hätten unter den Ba­ronen des königlichen Rates die Großgrundbesitzer des Landes zu verstehen, und versuchte, die Tätigkeit des Rates aufgrund dieser Hypothese aufzuzeichnen. Der königliche Rat sei eben nichts anderes als die spontane, gelegentliche Versammlung der Kirchenfürsten und je­weiligen Großgrundbesitzer des Landes; dieser Zusammen­kunft wohnten jene bei, die zwecks Erledigung ihrer An­liegen am Königshof weilten. Die Versammlung des Rates sei demnach eine Sache des Zufalls gewesen. Wenn die Magnaten wegen ihrer offiziellen oder persönlichen Angelegenheiten — die es ja immer gab — den Hof auf­suchten, dann „war auf einmal, rein zufällig, ohne jeden Grund und jede Ursache, der größere königliche Rat 12

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