Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 22. 1982-1983 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1985)

Die Anjovinen in Mitteleuropa - Engel Pál: Die Barone Ludwigs des Grossen, König von Ungarn. p. 11–19.

beisammen". Infolgedessen war die Zusammensetzung des Rates höchst unbeständig. „Es war das natürliche Recht eines jeden Magnaten, dem königlichen Rat beizu­wohnen... Doch infolge der Unbestimmtheit ... des Begriffes .Großgrundbesitz' war auch der Begriff »Magnat' nicht klar, deutlich und exakt umschreibbar; daher waren auch die unteren Grenzen der dem königlichen Rat angehörenden Klasse der Großgrundbesitzer, der Mag­naten, verschwommen und schwankend." Schillers Konzeption bedeutete eine entschiedene Opposition gegenüber der traditionellen Auffassung unga­rischer Rechtsgeschichtsschreibung. Unter Berufung auf das Tripartitum von István Werbőczy betrachtete diese nämlich die jeweiligen höchsten Würdenträger des Landes als „echte Barone des Landes" (veri barones regni). Schiller setzte gegen die Autorität des Tripartitum eine ganze Menge zeitgenössischer Quellen ein, so etwa all jene Urkunden aus dem 14. und 15. Jh., worin die Wür­denträger des Landes namentlich aufgezählt werden und folgerte daraus, daß „sehr viele Urkunden unter den Großen, die den Versammlungen des königlichen Rates beiwohnten, auch solche Herren erwähnen, die kein öffentliches Amt bekleideten, sondern auf rein privat­rechtlicher Basis als vornehm galten". Seine Beweisführung, wobei er sich auch auf ausländische Parallelen berief, stand auf dem höchsten Niveau der damaligen Rechts­geschichtsschreibung, wirkte in jeder Hinsicht überzeugend und wurde infolgedessen sehr bald ein fester Bestandteil der ungarischen Verfassungsgeschichte. Man kann zwei­fellos behaupten, daß zwei seiner Thesen auch heute gleichsam als Axiom im Kreis der ungarischen Historiker leben: 1) auch im 14. Jh. hatte der ungarische Adel eine Oberschicht, die in ihrer Eigenschaft als „Großgrund­besitzer" eine öffentlichrechtliche Rolle spielte; und in den Quellen aus der Anjou-Zeit ist unter der Bezeichnung „barones" vor allem diese Schicht zu verstehen; 2) die Mitglieder dieser Schicht beteiligten sich in jener unorga­nisierten, spontanen Form an der Staatslenkung, wie sie von Schiller so anschaulich beschrieben wurde. Denken wir nun im Besitz unserer heutigen Kenntnisse auf diese Beschreibung zurück, so fällt uns unverzüglich auf, daß Schiller, als er sich die Tätigkeit des König­lichen Rates vom 14.—15. Jh. vorstellte, das Bild vom ungarischen Ständestaat vor Augen hatte. Dies muß des­halb eigens betont werden, weil man zu seiner Zeit die Entwicklung der Ständegesellschaft noch vom Jahrhundert der Goldenen Bulle (1222) rechnete und es als Selbver­ständlichkeit galt, daß das Begriffsgut des Ständewesens auch auf die Anjou-Zeit mit Gewißheit anwendbar sei. In dieses Koordinatensystem ordnete Schiller den Kö­niglichen Rat der Magnaten des 14. Jh. ein. Heute wissen wir aber schon, daß die „frühreife" Entwicklung des ungarischen Ständewesens nach den letzten Jahrzehnten des 13. Jh. keine Fortsetzung fand, und daß der Ständestaat tatsächlich erst unter den Hu­nyadis zustande kam. Jedoch ist dies nicht nur für den Ständestaat gültig. Auch der Adel teilt sich erst um jene Zeit mehr oder weniger deutlich in Hoch- und Gemeinadel auf, genauer aus dem Verband des bislang begrifflich ein­heitlichen Adels erhebt sich um diese Zeit jene zahlen­mäßig geringe, relativ klar umgrenzbare Gruppe, die wir — nunmehr zweifelsohne zu Recht — „Großgrundbesitzer und Hochadel" nennen können. György Bonis regi­strierte vor einigen Jahrzehnten (1947) ganz genau auch die terminologischen Änderungen, die parallel mit diesem Prozeß im Wort gebrauch der Urkunden eintraten. Erst um die Zeit, also nicht früher als in der ersten Hälfte des 15. Jh., wird die oberste, meistbegüterte Schicht des Adels in den Urkunden mit einem eigenen Namen bezeichnet und es werden ihre Mitglieder zusammenfassend „Hochadel" (potentiores, potiores nobiles), „Magnaten" (magnates) und am häufigsten „Barone" (barones) genannt. Während noch im Laufe des 14. Jh. die Bezeichnung barones aus­schließlich den höchsten Würdenträgern des Landes zu­stand, wurden zur Zeit der Hunyadis und Jagellonen nicht mehr nur diese, sondern auch die Mitglieder der mäch­tigsten Geschlechter des Hochadels darunter verstanden. Die letzteren sind es, die im Jahre 1487 als „natürliche Barone" (barones naturales) für die Einhaltung der Waf­fenruhe von St. Polten haften; die im 22. Gesetz des Jahres 1498 berechtigt werden, eigene Banderien zu halten und die anläßlich des Reichstages bei Rákos (1505) unter dem Titel barones vor den anderen Ständen (proceres) und den Abgesandten des Landadels rangieren. Und schließ­lich sind natürlich sie es, die Werbőczy unter den „nur nominellen Baronen" (barones solo nomine) versteht, die neuerdings diesen Rang für sich beanspruchen, obgleich er in Wirklichkeit nur bestimmten Würdenträgern des Landes, den „echten Baronen" (veri barones regni) gebührt. Ein suggestives Bild dieses neuen Baronenstandes, der neuen Aristokratie der im Entstehen begriffenen ständischen Gesellschaft zeichnete jüngstens Erik F ü g e d i (1970) auf, wobei er sich schon auch der zeitgemäßen Methoden der Soziologie bediente. Die Barone des 15. Jh., von denen er schreibt, sind schon vor allem mächtige Burgherren im Besitz von ausgedehnten Ländereien, die aufgrund ihres Vermögens an der Staatslenkung teilhaben und die höch­sten Ämter des Landes besetzen. Im Mittelpunkt ihrer Politik steht ihre eigene Familie, um deren Zukunft sie sich auch dann bemühen, wenn sie in „Reichssachen" tätig sind. Den gleichen Stellenwert hat das Familienver­mögen, auf dem ihr Einfluß beruht und dessen ständige Vermehrung daher den wahren Sinn ihres irdischen Daseins darstellt. Die Politik der Barone ist solcherart zwangs­läufig eine Familienpolitik, die sich in den Kontrakten, Bündnissen oder zuweilen auch in den offenen Zusammen­stößen der großen Geschlechter realisierte. Die Beteiligung an der Staatslenkung war nicht die Quelle, sondern eher die mehr oder weniger zwangsläufige Folge ihrer Macht. Zu dieser, nunmehr als ständisch zu bezeichnenden gesell­schaftlichen und zugleich politischen Struktur gehörte deshalb eine typisch „hochherrschaftliche" Rolle, zu deren Besetzung der Spößling der Baronenfamilie von Geburt an erzogen wurde, nämlich die Rolle des aufgrund seines Vermögens und seiner Abstammung zur Staats­lenkung berufenen Magnaten. Die einschlägigen typischen Bewußtseinsäußerungen und gegenständlichen Attribute wurden von F ü g e d i vorzüglich zusammengefaßt. Es ist unschwer zu erkennen, daß sich Schiller die hochadeligen Mitglieder des königlichen Rates vom 14.—15. Jh. genau in dieser Rolle vorgestellt hat. Seine 13

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