Folia Theologica et Canonica, Supplementum (2016)

Géza Kuminetz, Aktualitdt der thomistischen Staatsidee

158 GÉZA KUMINETZ Eben deshalb hielt Horváth für zweckmássig zu untersuchen, worin eigentlich dér Begriff des Volkes, dér Nation und dér Selbstbestimmung besteht. Unter dem Volk versteht er das folgende: „Den eigentlichen Sinn des Volk- begriffes können wir in dér unter dér Staatsmacht vereinigten und sich zu einem organischen Ganzén entwickelten Menge bestimmen.”25 Diese Bestim- mung abstrahiert jedoch davon, ob die Masse ohne Staatsmacht Volk genannt werden kann. Die darauf gegebene Antwort ist ein philologisches Problem. Horváth hált eine andere Bedeutung des Volkbegriffes für viel wichtiger, wenn das Staatsorganismus von mehreren Völkem gebildet ist, also aus mehreren Nationen besteht. In diesem Falle kann und darf das Volk nicht mit dér Nation verwechselt werden. Besteht ein solcher Staat, habén seine Völker und Natio­nen eine Selbstbestimmungsrecht? Die Antwort von Horváth ist ein eindeuti- ges Nein, denn „in dieser Form kann die Nation nur ais ein Element des Staats­organismus stehen, und obwohl sie keine entfremdbaren natürlichen Rechte hat, ebenso wie die Person und die Familie, immerhin muss sie an dem natür­lichen Vorgang des Temperierens ebenso teilnehmen, wie die anderen Elemen­te, das heisst sie muss ins Staatsorganismus einschmelzen und ihre selbstbe- zweckten Bestrebungen dem Gemeinwohl unterordnen. Das Recht der Nation kann dementsprechend dem Recht des Volkes nicht gleich sein.”26 Einen eigenartigen, gerade unter der Stufe der Staatlichkeit stehenden Orga- nisierungsstand bildet die Nation, die von unserem Verfasser auf die folgende Weise bestimmt ist: „Unter der Nation verstehen wir also philosophisch die gesellschaftlich noch nicht geordnete Menge (Masse, okhlos), die durch das Blut oder zumindest durch die Verháltnisse des Gebietes und Kosmos, durch das gemeinsame Schicksal und die gemeinsame Kultur in eine gemeinschaft- liche Einheit geschlmolzen wird, wodurch sie fáhig ist, ais Material sogar ais wichtiger Teii der vollkommenen moralischen Körperschaft aufzutreten und die Elemente dorthin zu bringen, woraus sie aufgebaut wird.”27 Eine Nation vermag zur gleichen Zeit einen Staat zu bilden, und dieser Staat soli nationalen Staat oder Nationalstaat genannt werden. Der nationaler Stolz und der Schütz der nationalen Werte ist kein Gegner sondern eine Brutstátte der ahnlichen Gesinnung nach dem Staat. Hier sind jedoch zwei verzerrte seelische Einstel- lungen beziehungsweise die daraus stammenden falschen Verhaltungsweisen möglich, die im Laufe der Geschichte in unterschiedlichen Formen immer wieder erscheinen: die eine ist das Nationalisms2* und die andere das Intema­25 Vgl. Horváth, S., Szent Tamás állameszméje [Die Staatsidee vom hi. Thomas von Aquin], 306. 26 Vgl. Horváth, S., Szent Tamás állameszméje [Die Staatsidee vom hi. Thomas von Aquin], 307. 27 Vgl. Horváth, S., Szent Tamás állameszméje [Die Staatsidee vom hi. Thomas von Aquin], 312. 2! Nach dem Nationalsozialismus wird die Herrschaft der Nation durch die Reinheit des Blutes und die Kraft der Spezies gesichert. Um diesen Irrtum zu widerlegen, schrieb Horváth seine Studie mit dem Titel Die grossen Probleme des Papsttums vom Pius XU, die in der Nemzeti Újság [Nationale Zeitung] vom 31. Mai 1942 veröffentlicht wurde. Sie erschien ebenfalls im folgenden Jahr als der letzte Artikel der Hitvédelmi tanulmányok [Apologetische Studien], Der

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