Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Die stadt als artefactum - Csilla E. Csorba: Vom palais Károlyi bis zum Palais Lobkowitz

Wien-Budapest zwischen Historismus und Avantgarde, die 2003 im Historischen Museum Budapest gezeigt wurde, lagen auf der Architektur, der bildenden Kunst und dem Kunstgewerbe, die Literatur blieb hier eher im Hintergrund. Die in Budapest vom 18. Oktober 2010, dann in Wien vom 2. März 2011 zu sehende Ausstellung Mantel der Träume führt den Besucher in die symbolischen Räume Wiens nach dem Ausgleich und zeigt die literarischen Tradi­tionen des Mythos Monarchie vor allem aus dem Blickwinkel der Schriftsteller. Die Vertreter der ungarischen Kunst, die sich bei der Wiener Weltausstellung I 873 präsentierten, zeigten ihre Werke damals - obschon aus dem Geist der Wiener Akademien gewachsen - bereits an einem eigenständigen Schauplatz, mit einer der ungarischen Ge­schichte entnommenen Thematik und eigenen Stilmerkmalen. Zu dieser Zeit berichteten ungarische Schriftsteller (etwa Mór Jókai, Kálmán Mikszáth, Ferenc Herczeg - alle drei auch Parlamentsabgeordnete) vom Alltag des Kaiser­reichs, da sie in der Gegenwart der Monarchie lebten; die oppositionelle Einstellung, die aus den Unabhängigkeits­bestrebungen und dem Geist von I 848 resultierte, wie auch die rhetorischen Elemente eines verständnisvollen, mit dem Haus Habsburg sympathisierenden Geistes vermischten sich in ihrem Wortgebrauch und ihren Werken. Mór Jókai war häufig am kaiserlichen Hof zu Gast, er war gemeinsam mit Kronprinz Rudolf Redakteur des gewaltigen Werkes Die Österreichisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild, das sich zur Aufgabe machte, den Erhalt der Monarchie zu propagieren und das bunte Gemisch ihrer Völker mit sich selbst bekannt zu machen; Jókai sprach mit dem größten Respekt von Königin Elisabeth und ließ es sich auch nicht entgehen, den Regenten Franz Joseph hoch leben zu lassen, wenn er offiziell in der Hofburg empfangen wurde. Während in der Literatur am Ende des 19. Jahrhunderts die Person des Herrschers häufig im Fokus stand, war für die ungarischen Schriftsteller zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich der europäischen Moderne verschrieben hatten, die moderne österreichische Literatur (Rainer Maria Rilke, Peter Altenberg, Arthur Schnitzler, Robert Musil, Karl Kraus, Hermann Bahr) das Ziel ihrer Neugier. Zahlreiche Übersetzungen und Rezensionen in Zeitschriften - vor allem in Nyugat [Westen], Die Wage, Die Fackel - zeigen, wie aktuell sich die Modernen gegenseitig verständigten, Verlags kontakte, Bühnenadaptionen und Anerkennung in Briefen belegen diese Zusammenarbeit, doch der Misserfolg nicht weniger ungarischer Autoren verweist auch auf eine markante Asymmetrie der Rezeption. Nach Wien gelangte fast jeder, familiäre und freundschaft­liche Bande halfen bei der Orientierung: Tibor Déry, Sándor Márai und viele mehr studierten und arbeiteten hier, andere hofften nur auf ein aufregendes Reiseabenteuer. Die Welt der Lektüre und die Erlebnisse vor Ort vermischten 63

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